Haselbach (Lísková)

© Dr. Markus Gruber

 

Haselbach war der älteste Ort der späteren Pfarrei Wassersuppen (Nemanice) und bestand schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Damals war es aber bayerisch und sollte zusammen mit Schmalzgruben (Nemaničky) und Höll (heute auf deutschem Staatsgebiet) als ein militärischer Stützpunkt die Grenze zu Böhmen gegen die Choden sichern, die ihrerseits unter anderem in Wassersuppen stationiert waren. Bald aber wurde Haselbach ein Bauerndorf, das 1766 endgültig zu Böhmen kam. 1839 hatte das Dorf 23 Häuser und 214 Einwohner, 1862 schon 37 Häuser und 662 Einwohner, 1930 dann 56 Häuser mit 449 Einwohnern und 1945 sogar 76 Häuser. Haselbach war eine eigene politische Gemeinde, zu der Heinrichsberg (Jindřichova Hora), Schmalzgruben und Sophienthal (Černá Řeka) gehörten (insgesamt 1.002 Einwohner im Jahre 1921). Seinen Aufschwung verdankte Haselbach dem Bau der Staatsstraße von Waldmünchen nach Klentsch 1822, denn dadurch wurde das Dorf ein Grenzübergang. Außerdem errichtete man seit 1817 die ersten Glasschleifen entlang des Schwarzbaches, und schließlich gab es dort etwa 19 einzelne Werke, in denen Glas poliert und veredelt wurde. Seit etwa 1900 aber ging dieser Wirtschaftszweig allmählich ein, 1917-1919 erwarb der jüdischstämmige Fabrikant Richard Österreicher aus Wassersuppen die Gebäude, in denen aber nur noch wenig produziert wurde. In den 1930er Jahren blühte Haselbach trotz der allgemeinen wirtschaftlichen Not: Neben einer deutschen und einer tschechischen Schule gab es hier ein vornehmes Café (Pscherer) mit Biergarten sowie mehrere Geschäfte, z.B. für Bata-Schuhe. Auch der Schmuggel, das "Paschen", war ein wenn auch illegales, so doch einträgliches Gewerbe, aus dem allerlei Abenteuer und Geschichten resultierten. Jedoch war Haselbach ein Ort voller Gegensätze, weil es auch viele arme Familien gab. Diese wohnten in den aufgegebenen Glasschleifen oder hoch oben im Wald in ausrangierten Eisenbahnwaggons. Dort, am mystischen Bartl-Felsen, hatte angeblich der Teufel seinen Fußabdruck hinterlassen, "Kräuterweiber" sammelten hier ihre Heilpflanzen. Ein Kuriosum mitten im Dorf, an der Abzweigung nach Wassersuppen, war der Obelisk, vermutlich eine alte Grenzmarkierung.

Am 15.8.1932 wurde im oberen Dorf eine eigene Kapelle eingeweiht, obwohl man für Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen weiterhin nach Wassersuppen in die Kirche ging. Nach den erheblichen Spannungen der 1930er Jahre (Haselbach gehörte ja zur Tschechoslowakei, die Bevölkerung war aber mehrheitlich deutsch) kam die Gemeinde 1938, wie viele andere Orte, zum Landkreis Waldmünchen und somit zum Deutschen Reich. Ende April 1945 war auch Haselbach von den Kampfhandlungen zwischen der 90. US Infantry Division und der 11. deutschen Panzerdivision betroffen. Nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung wurde Haselbach anfangs zwar in geringem Maß neu besiedelt. Im Januar 1956 aber fiel der gesamte Ort dem Abriss zum Opfer; am Schlagbaum in Höll war buchstäblich die Welt zu Ende. Jedoch erlebte Haselbach-Lísková 1989/90 seine "Wiederauferstehung", zuerst bei der Symbolischen Grenzöffnung am 26.1.1990, dann durch die Wiedereröffnung des Grenzübergangs. Der ehemalige Dorfbereich entlang der Hauptstraße ist heute geprägt von Geschäften, Restaurants und Tankstellen; das bergan liegende "Ober-Haselbach" ist wie vom Erdboden verschwunden, doch findet am Standort der Kapelle alljährlich an Mariä Himmelfahrt eine Andacht statt, und genau dort, wo das Dorf im 16. Jahrhundert entstanden war, haben sich wieder erste tschechische Siedler niedergelassen. Die Überreste der Glasschleifen im heute völlig von Wald bedeckten Tal des Schwarzbach sind recht gut erkennbar, auch anhand der Triebwerkskanäle. Im Jahre 2012 wurde im Ortsbereich ein aus fünf Informationstafeln bestehender Lehrpfad eröffnet, so dass sich der Besucher ein umfassendes Bild von dem einst blühenden Dorf Haselbach machen kann.


Aufsatz "Heiteres aus dem alten Haselbach" (Lísková) aus dem Waldmünchner Heimatboten 47 (2013), S.140ff.

 

In der ehemaligen Gemeinde Haselbach (Lísková) spielten sich in der Vorkriegszeit allerlei kuriose, amüsante Geschichten ab, von denen ich aufgrund der Archivunterlagen einige nachvollziehen konnte: Der Schullehrer und sein illegales Brennholz, Wohnung im Eisenbahnwaggon, Hausnamen im Strafregister, Seltene Ortsnamen (Schmalzgruben, Wassersuppen) vor Gericht. Der Artikel kann auf Anfrage digital zugeschickt werden.