Tieffliegerangriffe im Frühjahr 1945 im Raum Waldmünchen, Cham, Domažlice.

 

© Dr. Markus Gruber

 

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Aktualisierung 02.03.2024: Zwei Tieffliegerangriffe am 21. April 1945 bei Alt-Brunst (Starý Brunst) und Neu-Brunst (Nový Brunst) (siehe unten unter 7.)

 

Ins Gedächtnis der deutschem wie tschechischen Bevölkerung haben sich im Frühjahr 1945 auch die allgegenwärtigen Tiefflieger eingebrannt. Amerikanische Jagdbomber vom Typ P-47 „Thunderbolt“, P-51 „Mustang“ und P-38 „Lightning“ griffen vor allem das Verkehrsnetz an: Züge, Bahnhöfe, Lastwägen, Autos, Pferdegespanne. Ja sogar vom Beschuss einzelner Personen ist die Rede. Das Internet ist voll von den Aufnahmen der „gun cameras“ der Piloten. Was dort wie in einem Computerspiel wirkt, war in der Realität ein grauenvolles Gemetzel, dem nicht nur Soldaten, sondern auch viele Zivilisten zum Opfer fielen. Bomben und großkalibrige Geschosse der Bordwaffen hinterließen schnell tödliche Wunden, ganze Körperteile wurden abgetrennt. Dass diese Angriffe im militärischen Jargon „effektiv“ waren, erklärt sich auch durch die nahezu vollständige Abwesenheit der deutschen Luftwaffe, die kaum noch Mittel zur Verfügung hatte. Eher gefährlich war für die US-Piloten noch die Luftabwehr in Gestalt von Flugabwehrkanonen (Flak) – und manchmal auch, falls doch einmal ein Flugzeug getroffen wurde und der Pilot mit dem Leben davon kam, die Reaktion von Angehörigen der NS-Verwaltung und von Bewohnern (Stichwort Fliegermorde).

Der folgende Beitrag soll die größeren, bekannten Angriffe dokumentieren, bei denen auch immer Personen zu Tode kamen. Ich danke dem Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge, dem Stadtarchiv Furth im Wald, dem Standesamt (Matrika) Domažlice und nicht zuletzt Filip Vojtášek, Autor des neuen Buches „Pod palbou hloubkařů“ (Praha 2019), für ihre Mithilfe.

Bei der Lektüre dieses Beitrags wird hoffentlich eines deutlich: Auch der Luftkrieg war nicht "ritterlich", sondern diente dem Töten und der Vernichtung. Jede Heldenverehrung von Piloten aller Kriegsparteien ("Jagdfliegerasse", "Experten", "Flying Aces", "heroes", "letecké eso") ist abzulehnen!

 

1. Die Angriffsserie vom 20. Februar 1945 im Raum Taus und Furth im Wald 

 

Am 20. Februar 1945 wurden entlang der Bahnstrecke Pilsen - Taus (Domažlice) - Furth im Wald insgesamt fünf Züge angegriffen. Hierüber existiert ein relativ ausführlicher Bericht des Betriebsamts Klattau (Klatovy).

Der schwerwiegendste Angriff erfolgte um 14.05 Uhr auf einen Flüchtlingszug (Nr. 77188) bei der Haltestelle „Taus-Stadt“. Die beiden Lokomotiven wurden ausgeschaltet, vier Waggons erhielten Durchschüsse. Dabei wurden acht Flüchtlinge, allesamt Frauen, aus Schlesien getötet. Namen und Daten finden sich im Sterbebuch des Standesamts Taus, das damals unter deutscher Verwaltung stand und ausschließlich für deutsche Staatsbürger zuständig war: 

- Klahn, Annedore Ida: wohnhaft Schweidnitz (heute Świdnica, Niederschlesien), *7.7.1924 in Königszelt, +20.2.1945 um 14.05 Uhr, Durchschuss linke Brustgegend

- Plüschke, Olga Martha, geborene Jüttner: aus Schweidnitz, *24.12.1872, +20.02.1945 um 14.05 Uhr, Unterleibdurchschuss

- Hoffmann, Ottilie: *04.07.1888 in Senge, Kreis Vels, +20.02.1945 um 14.05 Uhr „im Eisenbahnzug“, Verletzung im Brustkorb

- Krause, Elisabeth Ruth Ilse: *31.03.1934 in Schwarz, Kreis Vels, +20.02.1945 um 14.05 Uhr, Schädeldurchschuss

- Motzny, Ursula Käthe: geborene Paschke, wohnhaft in Schweidnitz, *17.06.1922, +20.02.1945 um 23.00 Uhr, Schusswunde linker Unterschenkel

- Rogoll, Ruth Salom: *13.01.1915 in Schweidnitz, +20.02.1945 um 2.30 Uhr, Schusswunde rechter Oberschenkel

- Strelocke, Ida: *24.07.1885 in Peuke, +19.03.1945

- Dietze, Eva: *06.09.1907, aus „Neunferdt“, +18.04.1945 im Krankenhaus Taus

 Ida Strelocke und Eva Dietze verstarben erst Wochen später an ihren Verwundungen. Alle Toten wurden höchstwahrscheinlich im Friedhof Taus bestattet. Die Gräber wurden in den 1950er Jahren eingeebnet. 25 weitere Personen (darunter ein Angehöriger des Reichsarbeitsdienstes = RAD) wurden schwer, etwa 17 leicht verletzt. Auch unter dem Zugpersonal, das aus Tschechen bestand, gab es Verluste. Der Lokführer Karel Volena erlag am nächsten Tag (21.2.) seiner schweren Verwundung; der Lokführer Matěj Kantner wurde ebenfalls schwer verletzt

 

An diesem 20. Februar traf es zeitgleich, zwischen 14.00 und 14.30 Uhr, Zug Nr. 93118, der Angehörige des Reichsarbeitsdienstes transportierte, nämlich von der RAD-Abteilung 6/103 Liebau (Schlesien). Diesem Angriff fielen drei Militärangehörige zum Opfer:

- Oberfeldmeister Wüllner, Kurt, *17.11.1900

- RAD-Mann Rehbein, Hans W., *29.03.1927

- RAD-Mann Maiwald, Rudolf, *04.08.1928 in Tscherna

Als amtliches Todesdatum aller drei gilt der 24.02.1945, jedoch dürfte dies der Tag der Beerdigung im Friedhof Cham sein: Die Toten ließ man im Zug und transportierte sie so bis Cham. Vier weitere RAD-Angehörige, alle erst 16 Jahre alt, wurden verwundet, ebenso zwei junge Frauen und ein 1-jähriges Kind, die auf der Flucht aus Schlesien waren. Und auch bei diesem Angriff traf es das tschechische Bahnpersonal: Lokführer und Heizer wurden verwundet.

 

Der dritte Angriff galt am 20. Februar dem Personenzug Nr. 505, der beim Wächterhaus 157 zwischen Böhmisch-Kubitzen (Česká Kubice) und Furth im Wald beschossen wurde. Diesen Angriff erwähnt der amtliche Bericht des Betriebsamts Klattau nur ganz kurz: Zwei Lokomotiven seien ausgeschaltet und drei Mann des tschechischen Personals verwundet woden. Mehr Details bieten Dokumente, die im Stadtarchiv Furth im Wald erhalten sind (Bestand 060): Die Gräberliste der Stadt offenbart, dass auch ein deutscher Soldat ums Leben kam, nämlich der Gefreite Max Gstöttner, geboren am 02.10.1904 in Passau, wohnhaft in Regensburg von Beruf Kaufmann, der zur Stammkompanie der Kraftfahr-Ersatz-Abteilung 10 Magdeburg gehörte. Außerdem wurden sechs Personen verwundet, von denen dann drei Anträge auf Heilfürsorge wegen Personenschadens stellten. Aus diesen Anträgen geht hervor, dass vier Tiefflieger um 14.30 Uhr aus einer Höhe von etwa 200 Metern den Angriff flogen, nachdem sich der Zug erst um 14.25 Uhr von Furth aus in Fahrtrichtung Taus in Bewegung gesetzt hatte. In einem der Anträge heißt es: „W. befand sich im 1. Wagen des Personenzuges. Die Geschosse drangen durch das mit Holz vernagelte Wagenfenster und erlitt dabei W. den Kopfschuss.“ W. war 60 Jahre alt, selbständiger Holzkaufmann aus dem Raum Kemnath und auf einer Geschäftsreise. Ein weiterer Antragsteller war ein 16-jähriger aus dem Raum Markt Eisenstein, der als Kriegseinsatzführer beim "Hitlerjugendbann" 340 Cham notdienstverpflichtet war und nach einer Besprechung in seinen Heimatort fahren wollte: „M. befand sich im ersten Wagen des Personenzuges. ... [Er warf] sich auf den Boden. Trotzdem konnte er sich vor der Beschießung nicht retten. Nach Anlegung eines Notverbandes wurde M. zuerst in das in der Nähe befindliche Reservehauptlazarett Furth i. Wald verbracht und anschliessend am 20. Februar 1945 in das städtische Krankenhaus Furth i. Wald.“ M. erhielt einen Durchschuss am linken Oberschenkel. Den dritten Antrag stellt eine 58-jährige Frau aus Weiden/Oberpfalz. Diese wollte nach Nýřani (damals Nürschan) zu ihrer schwerkranken Tochter, um sich um ihre Enkelkinder zu kümmern. Die Frau erlitt einen Schuss in den Oberarm.

Außerdem existiert ein Bericht der Schutzpolizei Furth im Wald zu diesem Angriff. Demnach haben die Tiefflieger etwa 50 Schuss aus ihren Bordwaffen abgefeuert.

 

Zwei weitere Angriffe an diesem 20. Februar galten dem Zug Nr. 516 im Bahnhof Holleischen (Holýšov), wobei der Zugführer leicht verletzt wurde, sowie dem Zug 6110 im Bahnhof Böhmisch-Kubitzen (Česká Kubice).

 

Die Tieffliegerangriffe vom 20. Februar machen eines deutlich: Sie galten unterschiedlos Militärtransporten und normalen Personenzügen. Es traf einen Zug, der Angehörige des Reichsarbeitsdienstes transportierte, aber auch einen regulären Personenzug sowie einen Zug mit Flüchtlingen, die nach ihrer Flucht vor dem Kriegsgeschehen an der Ostfront schon fast in Sicherheit waren. Und es war fast reiner Zufall, wen die Kugel traf – wer gerade in dieser Minute in diesem Zug und diesem Waggon saß...

 

2. Der große Angriff vom 25. Februar auf den RAD-Zug 91152

 

Nur fünf Tage später, am 25. Februar 1945, erfolgte bei Taus ein Tieffliegerangriff auf einen Zug, der gemessen an der Opferzahl der schwerwiegendste in dem betrachteten Gebiet war: 59 Menschen starben. Die Umstände dieses tödlichen Angriffs sind verhältnismäßig gut rekonstruierbar, da die Eisenbahndirektion Pilsen unter Mitwirkung der Kriminalpolizei einen detaillierten Bericht verfasste. Der Zug transportierte etwa 180 Angehörige des Reichsarbeitsdienstes (RAD), Abteilung 1/112 Oels, die aus Niederschlesien nach Westen verlegt wurden. Als sich im Raum Taus gegen Mittag des 25. Februar Tiefflieger bemerkbar machten, befahl der Kommandant des Transports, welcher der Wehrmacht angehörte, den Zug aus dem Bahnhof in Richtung Kauth (Kout) losfahren zu lassen. Dann jedoch blieb der aus 42 Waggons bestehende Zug auf freier Strecke wegen Steigung und Überlastung stehen. Als die acht Tiefflieger nach längerem Herumkreisen sich gegen 13.30 Uhr zum Angriff entschlossen, befolgten nur wenige RAD-Männer die vom Bahnpersonal gegebene Anweisung, den Zug zu verlassen, um in einem Durchlass Schutz zu suchen. Die überwiegende Mehrheit blieb in den Waggons; erst als die Lokomotive mit Bordwaffen beschossen wurde, versuchten die 16- und 17-jährigen Jungen die Waggons zu verlassen, die daraufhin mit Bomben belegt wurden. Ein Volltreffer auf einen Waggon tötete 54 RAD-Männer sofort, außerdem eine Frau. Dass die Waggons bewusst verriegelt worden seien, wie seinerzeit von Einheimischen kolportiert wurde, hierfür gibt es keinen Beleg. Vielmehr war die unklare Befehlslage und das allgemeine Chaos ursächlich für die hohe Opferzahl.

Im Stadtarchiv Furth im Wald haben sich Briefe eines der damals Beteiligten erhalten. Im Jahre 1990, sobald es die Öffnung der innerdeutschen Grenze zugelassen hatte, schrieb ein Mann aus Dresden nach Furth und erkundigte sich nach dem Schicksal von zwei Kameraden. Denn diejenigen, die überlebten oder „nur“ verwundet wurden, bekamen ja nicht unbedingt mit, wer von den anderen getötet wurde oder wo deren Bestattung erfolgte. Herr G., damals schon über 50 Jahre alt, berichtet über die ersten Minuten des Angriffs:

„Ich hatte Glück und bin nur leicht verletzt worden. Ein Granatsplitter hatte mir den rechten Unterarm aufgerissen. Es war eine handtellergroße Fleischwunde mit leichten Sehnenverletzungen. Zurückgeblieben ist eine ca. 2 cm x 8 cm große Narbe. ... Wir waren seit Anfang Januar 1945 im RAD-Lager (Reichsarbeitsdienst) in Bad Kudowa (Kudowa stroj), heute Polen, im Heuscheuergebirge. ... Wir sind dort – oder besser gesagt – sollten dort ‚ausgebildet’ werden. ... Wir sind von dort aus mit dem Güterzug in Richtung Westen gefahren. ... Nun waren wir kurz vor dem Bahnhof Domažlice (Taus). Der Zug stand auf freiem Gelände auf einem ca. 2 m hohen Bahndamm. Ringsum kein Baum, kein Strauch, also keine Deckungsmöglichkeit. ... Der ‚Befehl’ kam. Es solle sich niemand zeigen. ... Von Ferne sah ich 4 Lightnings. ... Nun begann der sekundenschnelle Angriff ... Wir waren insgesamt ca. 180 Jungs. Davon 60 Tote, 60 Verletzte und 60 Unverletzte. ... Ich will aber nicht versäumen zu sagen, daß wir im Krankenhaus Domazlice (Taus) sehr gute ärztliche Versorgung hatten. Ich selbst bin nachts/früh um 3.30 Uhr operiert worden. Das heißt, ich hatte von ca. 15 Uhr auf einem Flur – es war ja kein Platz mehr – bis 3.30 warten müssen. Anschließend war ich dann im einem Reserve-Lazarett (ehem. Schule) in Klenci (Klentsch). Sowohl Taus als auch Klentsch hatte ich 1966 aufgesucht.“

 

Ebenfalls im Jahre 1990 wandte sich eine Frau aus Dresden, die Schwester eines der Todesopfer, an die Stadt Furth im Wald: „Meine Mutter ist 1 Jahr nach dem Tod meines Bruders mit großem Herzeleid gestorben. Hätte sie die genaue Ursache des Todes erfahren, wäre der Schmerz noch größer gewesen. Halbe Kinder noch wurden geopfert.“ Ihre Familie wurde zeitgleich, im Februar 1945, bei dem verheerenden Luftangriff auf Dresden ausgebombt.

 

54 RAD-Männer waren auf der Stelle tot, zwei weitere verstarben noch am selben Tag, ein weiterer am 06.03.1945 im Krankenhaus Furth im Wald und einer am 14.03.1945 im Krankenhaus Taus. Die Toten wurden offenbar in dem zwar beschädigten, aber noch einsatzfähigen Zug gelassen, der sie auf damals reichsdeutsches Gebiet direkt nach Furth im Wald brachte. Auf dem Friedhof hob man große Gruben aus und bestattete die insgesamt 58 Toten in einfachen, eilig verfertigten Holzsärgen, wobei Bürgermeister Hörmann eine Rede hielt. Der am 14. März im Krankenhaus Taus verstorbene Werner Hempel wurde im dortigen Friedhof beigesetzt, wohl im selben Grab wie die acht Todesopfer des vorherigen Angriffs vom 20. Februar.

 

Der Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge bettete in den 1950er Jahren die meisten Kriegsgräber in Ost- und Niederbayern aus. Auch die toten RAD-Männer aus dem Further Friedhof wurden im Juli 1955 zur zentralen Kriegsgräbersätte Hofkirchen bei Vilshofen übergeführt. Dort ruhen sie in Reihe 6-7, Gräber 26-50, sowie Reihe 7, Gräber 1-4. Die Namen der getöteten RAD-Männer lauten:

Arnold, Karl-Heinz *7.2.1927; Assmann, Joachim *26.4.1927; Beier, Heinz *11.7.1927; Bienert, Siegfried *3.9.1928; Drechsler, Rolf *27.7.1927; Fischlein, Gerhard *13.5.1928; Fritzsche, Rudolf *5.7.1927; Gabriel, Franz *18.3.1927; Gerhardt, Horst *17.4.1928; Gietzelt, Kurt *6.8.1926; Glatzel, Horst: *26.03.1927, +06.03. (Krankenhaus Furth); Gollmann, Gerhard *8.1.1927; Günther, Hans-Georg *28.7.1928; Hache, Gottfried *27.8.1928; Hartmann, Gerhard *26.7.1927; Hempel, Werner: *30.11.1926, +14.03.1945 (Krankenhaus Taus, in Taus bestattet); Hermann, Hans *15.3.1927; Jeitner, Heinz *26.9.1927; Keilhack, Wilfried Karl *18.3.1928; Kotte, Erich *9.4.1928; Krompholz, Franz *14.7.1927; Kühn, Manfred *25.9.1927; Lehmann, Günter: *09.07.1928; Linder, Heinz: *05.09.1928; Meixner, Alexander *12.4.1927; Michel, Günther *21.3.1927; Müller, Günther *2.12.1928; Neubert, Günther *6.4.1928; Nitscher, Gerhard *7.2.1926; Noack, Joachim Harry *16.7.1927; Ott, Eugen *29.3.1928; Otto, Gerhard *29.11.1928; Otto, Walter *10.6.1928; Penzel, Helmut *14.9.1926; Reichelt, Winfried *21.11.1927; Reichert, Manfred *1.11.1928; Richter, Reinhard *9.4.1928; Ropertz, Günther *31.5.1927; Schitzelt, Horst *1.11.1928; Schmidt, Günther *16.10.1927; Schneider, Siegfried *29.12.1926; Schwarzer, Johannes *30.4.1926; Schwinger, Horst *19.8.1928; Smolanowicz, Theodor *26.11.1927; Sorge, Rudolf *16.9.1928; Steglich, Kurt *25.5.1927; Stern, Günther *4.5.1928; Tietze, Manfred *19.3.1928, +06.03.1945; Venus, Gerhard *15.11.1926; Voigtmann, Günther *17.10.1928; Wappler, Wolfgang *8.4.1927; Winkler, Hans Heinz *1.9.1927; Wisy, Siegfried *23.3.1927, +26.2.1945; Witschas, Harry *15.7.1928; Wold, Wolfgang *2.10.1928; Wustlich, Dittmar *1.4.1928; Zeinert, Werner *18.11.1928; Zemene, Josef *14.3.1927.

Der Name der toten Flüchtlingsfrau: Schmidtke, Elle Helene: *26.3.1910, aus dem Kreis Glatz (Schlesien), +25.02.1945

 

3. Angriffe im Raum Taus (Domažlice) Mitte April 1945

 

Als die US Army Mitte April nach und nach die Oberpfalz und Westböhmen eroberte, häuften sich Tieffliegerangriffe auf die Bahnstrecken im unmittelbaren Umfeld der Stadt Taus. Nun traf es vor allem Züge, die von der Wehrmacht genutzt wurden. Mehrere Wehrmachtangehörige starben, vor allem bei Blížejov (Blisowa), das auf halber Strecke zwischen Taus und Staňkov liegt. Laut der auf www.portafontium.eu verfügbaren Stadtchronik von Staňkov, Band „1944-1945“, S.106f., gab es zwischen dem 15. und 20. April täglich Angriffe. Der schwerste ereignete sich wohl am 17. April, als vermutlich 16 Tiefflieger einen Transportzug der Wehrmacht bei Blížejov beschossen. Laut der Seite hloubkari.wordpress.com, wo der Angriff allerdings auf den 18. April datiert wird, fand die Attacke zwischen 12.50 und 13.15 Uhr statt. Es traf einen Zug, der Teile einer Wehrmachtseinheit transportierte, die den Beinamen „Hermann Göring“ getragen haben soll, also entweder der „Fallschirm-Panzer-Division 1 H.G.“ oder der „Fallschirm-Panzergrenadier-Division 1 H.G.“. Zwischen 18 und 37 Waggons wurden durch Bordwaffenbeschuss beschädigt, die Strecke war für einige Zeit blockiert. Laut dem Bericht des Betriebsamtes Klattau gab es drei Tote, elf Schwerverletzte, einen Leichtverletzten.

Die Identität dieser drei Toten kann nicht mit letzter Gewissheit angegeben werden. Folgende sechs Wehrmachtangehörige sind für das fragliche Gebiet beim Volksbund Kriegsgräberfürsorge mit einem Todesdatum zwischen dem 16. und 19. April registriert:

- Geiss, Norbert: Uffz., *20.11.1908 in Weilmünster, +16.04.1945 „Blisowa b. Taus“

- Buhl, Karl: Schütze, kein Geburtsdatum, +17.04.1945 „Blissiwo b. Taus“

- Johannes, Erich: Stabsgefr., *28.11.1914 in Hermannsburg, +17.04.1945 „Blisowo b. Taus“

- Büscher, Clemens (korrekt: Klemens): OGefr., *02.12.1921 in Overath, +18.04.1945 „Taus, ca. 80 km westl. v. Pilsen“

- Ebner, Florian: Uffz., *09.04.1921 in Atzelsdorf (Österreich), +19.04.1945 „Bahnstr. Pilsen-Taus“, Todesdatum laut Sterbebild 18.04.1945

- Betz, Hans (Johann): Uffz., 27.05.1916 in Trochtelfingen-Steinhilben, + April 1945 in Taus (= am 19.04.1945 im Krankenhaus Taus nach Verwundung, siehe unten)

Tatsächlich ist also für drei Tote als Todesort „Blisowa“ vermerkt. Dies deckt sich mit einer Meldung der tschechischen Gemeindeverwaltung (MNV) Blížejov aus dem Jahre 1951, gemäß derer im örtlichen Friedhof drei deutsche Soldaten, die bei einem Fliegerangriff auf einen Zug gefallen seien, bestattet wurden (Státni Okresni Archiv Domažlice, Bestand ONV Horšovský Týn, i.č. 383).

Für Ebner („Bahnstraße Pilsen-Taus“), der in einer Flak-Batterie diente, nennt das Sterbebild den 18. April, die „Gräbersuche Online“ des Volksbundes dagegen den 19. April, wo zudem als Ort des Grabes die in der Nähe liegende Stadt Staňkov (Stankau) angegeben ist. Für Büscher (ebenfalls 18. April) ist kein genauerer Ort angegeben.

Näher bestimmen aber lässt sich das Schicksal des Unteroffiziers Hans Betz. Am 19. April 1945 entdeckten Tiefflieger eine motorisierte Nachrichtenabteilung, die ihre Fahrzeuge den Tag über in einem Wäldchen zwischen Draženov (der tschechische Ort hieß damals im Protektorat „Drasenau“) und dem damals sudetendeutschen Ort Pirk (heute Březí) verborgen hatten. Dieser Angriff lässt sich durch zwei Dokumente detailliert rekonstruieren. Zum einen existiert ein kurzer offizieller Bericht, zum anderen der Brief eines Sanitäters, der nach Kriegsende an die Ehefrau eine dabei getöteten deutschen Soldaten schrieb. Der nüchterne Bericht des Gendarmerieabteilungskommandos Klattau, angefertig durch den Bezirks-Stabswachtmeister Tykal, besagt, dass der Angriff um 12.30 Uhr stattfand und sechs Lkws der Wehrmacht galt. Dabei seien zwei Wehrmachtangehörige verwundet und zwei Pferde getötet worden.

Der Brief des Sanitäters präzisiert, dass der Angriff über 40 Minuten lang dauerte: Die Flugzeuge beschossen das Wäldchen, nachdem sie die Zugmaschinen entdeckt hatten. Einer der beiden Verwundeten war der Unteroffizier Hans (Johann) Betz, geboren am 27.05.1916 in Trochtelfingen-Steinhilben; er gehörte zur „Nachrichtenabteilung Rgt. z.b.V. 604“. Ein 2-cm-Geschoss verursachte bei dem noch nicht ganz 29-Jährigen eine Wunde, die so groß wie eine Faust war. Zwar wurde Hans Betz noch ins Krankenhaus Taus eingeliefert, verstarb jedoch bald. Seinem Kameraden musste ein Bein amputiert werden. Noch während des Transportes in Krankenhaus äußerte Hans Betz seinen letzten Wunsch, dass der Sanitäter seiner Frau schreiben solle. Der Sanitäter trat nach dem Krieg in den Orden der Franziskaner ein. Der vollständige Brief war auf der Internetseite „weltkriegsopfer.de“ zu lesen, die leider nicht mehr verfügbar ist.

Vermutlich wurde Hans Betz im Friedhof Taus bestattet und das Grab nach 1945 ebenfalls eingeebnet. Sein Name ist jedoch im Namensbuch der Kriegsgräberstätte Marienbad (Mariánske Lázne) verzeichnet, wie auch die Namen der anderen oben genannten Toten. 

Auch ein junger Mann vermutlich aus Polen fiel offenbar den Angriffen zum Opfer: Antonín Stanczik (so die Schreibung in den tschechischen Dokumenten), geboren 1921, aus dem Kreis Tomaszów starb am 19.04.1945 im Krankenhaus Taus, laut Sterbebuch der Pfarrei durch Verwundung in Brust und Bauch bei einem Fliegerangriff.

 

4. Angriffe im Raum Furth im Wald (mit Arnschwang und Selling)

 

Gleich mehrfach ins Visier geriet der Bahnhof von Furth im Wald, so am 3., 22. und 24. April. Ein Angriff am 17. April zwischen 13.00 und 14.10 Uhr richtete erhebliche Gebäudeschäden an und forderte fünf Tote, wie ein Schreiben der Stadt Furth im Wald von 1962 zeigt:

- RAD-Mann Lothar Sengstock, *14.12.1929 in Essen, Automechanikerlehring, + um 14.10 Uhr Ecke Bahnhofstraße-Stadtplatz

- Stabsgefreiter Walter Max Neuhof, *30.05.1910 in Teltow, Tischler, + um 14.10 Uhr bei den Bahnhofsgleisanlagen

- Karl Zeitler, *05.09.1911 in Wackersdorf, Lokführer, + um 14.10 Uhr in der Bahnhofstr.

- Katharina Liebl, *10.2.1907 in Sagberg, + um 14.10 Uhr in ihrer Wohnung (Herrenstraße)

- SS-Unterscharführer Willy Heitmann, *28.10.1907 in Dortmund, Straßenwärter, + um 14.10 Uhr bei den Bahnhofgleisanlagen. Ein Schreiben der Stadt von 1951 gibt Einblick in die Einzelperson Willy Heitmann: Unter seinen Nachlasssachen befand sich neben Taschenuhr und Brieftasche auch ein Kamm mit Futteral und eine Tabakpfeife.

Ein weiteres Todesopfer der Angriffe auf die Further Bahnhofsanlagen im April war das Mädchen Klara Leitermann aus Kleinaign/Eschlkam.

Eine wahre Rarität ist es, dass von einem der Tieffliegerangriffe auf Furth Aufnahmen aus der Schießkamera („gun camera“) eines Angreifers existieren. Die Bilder (siehe am Ende dieses Beitrags) lassen eindeutig den Stadtkern von Furth erkennen (Stadtturm und Kirche). Links ist bereits eine dichte Rauchwolke zu erkennen, als der Jagdbomber gerade ein Ziel (vielleicht ein Fahrzeug) genau auf dem Stadtplatz beschießt.

Auch ein Güterzug im Bahnhof Arnschwang wurde in diesen Tagen angegriffen, an den sich ein Zeitzeuge noch erinnern kann (Chamer Zeitung 21.03.2020). Der Zug hatte Lebensmittel geladen, vor allem Schmalz, das die Arnschwanger dann an sich nahmen und damit buken. Bei der Attacke kam ein junger Wehrmachtsoldat ums Leben: Kurt Palloks, *21.05.1923 in Bartenstein/Ostpreußen, gefallen am 18.04.1945 in Arnschwang. Der Tote wurde im Friedhof Arnschwang beigesetzt wurde und das Grab mit einem Birkenkreuz, auf dem ein Stahlhelm saß, versehen. In den 1950er Jahren erfolgte die Umbettung zur Kriegsgräberstätte Hofkirchen (Reihe 7, Grab 42).

 

Am 20. April, am Tag des Angriffs auf den Zug im Bahnhof Miltach (siehe unten), gab es in dem Dörflein Selling bei Windischbergerdorf einem Tieffliegerangriff mit wohl zwei Toten, offenbar auf die Bahnlinie Furth-Cham. Ein Opfer war Frieda Vogl aus Weiding, die durch Kopfschuss starb. Der Volksbund Kriegsgräberfürsorge verzeichnet für Selling für diesen Tag außerdem den Namen Josef Reiter aus Michalok (ein Ort offenbar in der östlichen Slowakei). Ob Reiter ein Soldat oder Flüchtling war, ist nicht bekannt, auch nicht sein Geburtsdatum. Der tote Josef Reiter wurde zunächst im Friedhof Windischbergerdorf beigesetzt und 1956 nach Hofkirchen übergeführt.

 

5. Der Angriff auf den Bahnhof Miltach (und auf Blaibach) am 20. April 1945 

 

Am 20. April 1945 geriet auch der Bahnhof Miltach ins Visier der Tiefflieger. Vermutlich eher zufällig stand gerade der Lazarettzug Nr. 663 der Wehrmacht im Bahnhof. Diese Lazarettzüge, auch Krankentransportzüge genannt, brachten Verwundete von den Fronten in Lazarette in der Heimat. Oft waren Hunderte verwundeter Soldaten an Bord, die wohl nach dem Zufallsprinzip zur Weiterbehandlung im Landesinneren verteilt wurden. Im Laufe des Krieges legte solch ein Zug tausende Kilometer zurück. Die Lazarettzüge galten als eigene militärische Einheit und hatten somit auch eine eigene Feldpostnummer.

Im Umfeld der durch Furth im Wald führenden wichtigen Bahnstrecke wurde eine ganze Reihe von Lazaretten angelegt – in Furth selbst, in Cham, Kötzting, Waldmünchen, Roding, außerdem in den tschechischen Orten Česká Kubice, Babylon, Klenčí pod Čerchovem, Chodov etc. Weit über 150 Verwundete verstarben hier im Laufe der Zeit. Und so ist anzunehmen, dass auch der Lazarettzug Nr. 663 Verwundete in eines der Lazarette im Raum Cham und Furth im Wald transportieren sollte.

Siegfried Wolf, der sich an diesem Tag in diesem Transport befand, schrieb dreißig Jahre später einen Brief an die Gemeinde Miltach, der sich in derem Archiv erhalten hat. Demnach wurde der Zug gegen 9.30 Uhr von zwölf US-Jagdbombern angegriffen. Wolf berichtet: „Wir waren völlig hilflos, denn wir lagen damals mit zwei Verwundeten in einem Bett. Auch mein Bettnachbar (es war ein Unteroffizier) wurde neben mir durch ein 2-Zentimeter-Geschloss getötet! Es war furchtbar!“ Tieffliegerangriffe auch auf Lazarettzüge, die an sich das rote Kreuz als Kennzeichen trugen, waren anscheinend keine Ausnahme. Auch Waggons mit Flüchtlingen aus Ungarn sollen zeitgleich auf den Gleisen gestanden haben.

Sofort tot waren sieben Soldaten. Deren Namen und Daten stammen vom Volksbund Kriegsgräberfürsorge (abermals geht ein großes Dankeschön des Autors an das Referat Gräbernachweis!) und sind auch in der „Gräbersuche Online“ zu finden:

- Hofstätter, Jakob: OGefr., *23.07.1900 in Elsbethen (Österreich), +20.04.1945, Truppenteil: Bau P.E.u.A.Btl. 28

- Krüger, Paul: Schütze, *30.12.1906 in Zerbst, +20.04.1945, Inf.Ers.Btl. 500 Olmütz

- Meckert, Jacques: Gefr., *21.12.1908 in Berlin, +20.04.1945, 2./Jg.Rgt. 38

- Ruzicka, Josef: Stabsgefr., *11.01.1901 in Wien, +20.04.1945

- Seidl, Anton: OGefr., *18.01.1912 in Rogglfing, +20.04.1945

- Ulle, Karl: OGefr., *01.08.1924 in Kelbra, +20.04.1945 [oder 21.04.], 3./Pz.Gr.Rgt. 40

- Morero, Angelo (Italiener): *06.05.1914, +20.04.1945.

Weitere acht schwer Verwundete erlagen in den Wochen danach ihren Verletzungen:

- Riexinger, Friedrich: Obergrenadier, *20.06.1907 in Breitenberg, +23.04.1945

- Trommer, Martin: Gefr., *08.11.1911 in Königswalde, +28.04.1945

- Uhlmann, Eugen: Grenadier, *24.10.1909 in Pforzheim, +28.04.1945

- Bauer, Heinrich: OGefr., *12.07.1908 in Eitting, +04.05.1945, Gren.Rgt. 1084

- Hönig, Gerhard: Gefr., *16.10.1927 Berlin-Charlottenburg, +12.05.1945, Gen.Kp.E.Br.G.D.

- Pirchheim, Julius: Feldwebel, *05.04.1890 in Mureck/Radkensburg, +21.05.1945

- Weber, Konstantin: Gefr., *24.11.1908 in Pirmasens, +17.05.1945

- Thrun, Walter: OGefr., *04.10.1904 in Neuruppin, +02.06.1945

 

Die sieben sofort Getöteten brachten die Einwohner auf einem kleinen „Bruckwagerl“, einem Handkarren, am 22. April nach Oberndorf, wo sie behelfsmäßig auf freiem Feld bestattet wurden. Auch die später Verstorbenen kamen dorthin, so dass ein hier ein Soldatenfriedhof entstand. Als der Volksbund Kriegsgräberfürsorge in den 1950er Jahren systematisch die sterblichen Überreste der in Ostbayern gefallenen deutschen Soldaten aus den Pfarrfriedhöfen und Feldgräbern exhumierte, wurden auch die Toten von Miltach am 15. Januar 1957 in die zentrale Kriegsgräberstätte Hofkirchen (Niederbayern) dorthin umgebettet. Dort ruhen die 14 toten deutschen Soldaten Seite an Seite in zwei Reihen (Reihe 31, Gräber 69 bis 74, und Reihe 33, Gräber 1 bis 8). Der Italiener Angelo Morero aus Camisano Vicentino wurde in den italienischen Ehrenfriedhof München umgebettet.

Nur drei Tage später, am 23. April, eroberten die Amerikaner kampflos Miltach. Damit aber waren die Schrecken des Krieges noch nicht vorbei: Am 24. April erschossen US-Soldaten den 30-jährigen Feldwebel Xaver Schlecht, der aus Rattenberg stammt, bei der Überquerung des Flusses Regen. Am 25. April wurde laut den Unterlagen der 26th US Infantry Division in der Nähe von Miltach der Kommandeur des 1. Bataillons des 101st Infantry Regiments, Major Joseph P. Boucher, bei einem Feuerüberfall getötet: Die Amerikaner versuchten durch Patrouillen zu erkunden, wie weit die 11. deutsche Panzerdivision schon aus dem Raum Taus (Domažlice) herangerückt sei. Major Boucher war der ranghöchste Amerikaner, der überhaupt im Großraum Cham getötet wurde. Und am 28. April erschossen US-Soldaten wohl in einer Kurzschlussreaktion zwei Kinder, eines 13 Jahre alt, eines 15.

Ein ausführlicher Bericht über das Kriegsende in Miltach mit einem Foto des Soldatenfriedhofs war in der "Mittelbayerischen Zeitung" vom 27.04.2015 zu lesen (Link hier).

 

Für das bei Miltach liegende Blaibach sind für den 20. April zwei Ungarn als Todesfälle durch Tieffliegerangriff bezeugt, offenkundig ein älteres Ehepaar:

- Dr. Péthö, Tiberius (Tibor): *01.11.1887 in Gyertyamos, Heimatort Budapest, wohnhaft in Velem

- Péthö, Charlotte (geb. Kafga): *07.06.1889, Heimatort Budapest, wohnhaft in Velem

Außerdem verstarb am 08.01.1946 Mariette Péthö, vermutlich die Tochter. Hier ist die Todesursache nicht angegeben - vielleicht verstarb sie an ihrer bei dem Angriff erlittenen Verwundung?

 

Als Fazit ist festzuhalten, dass am 20. April Angriffe auf Gleisanlagen und Züge in Miltach, Blaibach und Selling erfolgten und insgesamt 18 Menschenleben forderten.

 

6. Weitere Angriffe mit jeweils einzelnen Todesopfern: Waldmünchen, Raum Hostouň (Hostau), Neunburg vorm Wald u.a.

 

Doch nicht nur Bahnhöfe und Züge gerieten ins Visier, sondern Fahrzeuge aller Art, vor allem Lastkraftwägen, die ja theoretisch kriegswichtiges Material transportieren konnten. Und selbst Einzelpersonen waren offenbar vor den Tieffliegern nicht sicher.

 

Nachdem auch in Waldmünchen am 19. April der Bahnhof angegriffen worden war (am selben Tag wie die Wehrmachtkolonne bei Draženov), nahmen die Tiefflieger am 23. April Lastwägen ins Visier. Dabei wurde der 33-jährige Karl Althammer (*20.09.1911 - Link zum Einzelschicksal mit Foto) aus der Pfarrgasse 6 tödlich getroffen. Er war Bierfahrer beim Waldmünchner „Postbräu“ (Beer, Hausname „Koisa“) und war wohl auch als Fahrbereitschaft für Offiziere nach Klentsch (Klenčí) eingeteilt. Am Nachmittag – als das nahe Rötz gerade kampflos übergeben wurde! – fuhr Althammer mit dem Lkw Bier zum Hölzlwirt nach Höll und befand sich gerade kurz vor dem Böhmerkreuz am Ortsrand von Waldmünchen, auf Höhe des heute nicht mehr stehenden „Reischnhauses“; dort war damals ein Holzlager. Da entdeckten ihn Tiefflieger, die wegen ihrer Bemalung im Volksmund „Rotschwanzeln“ wie die Vogelart hießen. Die Jagdbomber kamen vom Čerchov her über das Schloss geflogen. Im selben Moment befuhr am Böhmerkreuz ein mit vier SS-Soldaten besetzter sog. Kübelwagen stadteinwärts die Böhmerstraße. Diese sprangen aus dem Wagen, um sich hinter den Holzstößen zu verstecken. Althammer aber suchte direkt unter seinem Lkw Schutz, wo ihn MG-Garben an beiden Beinen trafen. Der „Reischn Luk“ (Ludwig Buchner) zog den Schwerverwundeten noch hervor und brachte ihn zum alten Zollamt, doch Althammer verstarb gegen 16.00 Uhr im Krankenhaus. Als er am 25. April beerdigt wurde, war die Panzersperre am Hammertor bereits geschlossen, so dass der Leichenzug seinen Weg durch Hausgang und Garten des Gareisen-Hauses nehmen musste.

 

Offenbar schwärmten die Tiefflieger an diesem 23. April weiter aus: An der Straße von Hostau (Hostouň) nach Ronsperg (Poběžovice), auf Katastergebiet des Dorfes Schlattin (Slatina), wurde um 17.30 Uhr der 64-jährige Wenzel (oder Wendel) Pintz durch eine Schussverletzung in Schulter und Brust tödlich verwundet. Er war „Volksdeutscher“ aus Ungarn, aus dem Ort Krnjaja (heute Kljajićevo in Serbien), und zu dieser Zeit in Alt-Gramatin (Starý Kramolin) wohnhaft: Schon im Frühjahr 1945 waren hierher Flüchtlinge aus der „Batschka“ mit 17 pferdebespannten Wagen gekommen, die dann nach Kriegsende weiterzogen. Beerdigt wurde Pintz im Pfarrfriedhof Muttersdorf (Mutěnín).

 

Nicht sicher dagegen sind die Todesumstände eines ebenfalls aus Krnjaja stammenden Mannes, des 47-jährigen Bauers Wendelin Müller, der wie Pintz in Alt-Gramatin Zuflucht gefunden hatte. Müller galt als „Volkssturmmann“; die Sterbematrikel des Pfarramts vermerkt als Todesursache „gefallen“ und als Todesdatum den 27. April, als Beerdigungsort auch hier wieder den Friedhof Muttersdorf. Denkbar ist natürlich ebenfalls ein Tieffliegerangriff. Dies zumal deshalb, weil in diesem Gebiet ebenfalls am 27. April versehentlich eine Kolonne von KZ-Häftlingen angegriffen wurde, und zwar zwischen Hostau und Ronsperg, in der Nähe des Kunzenweihers (rybník Kunčak, heute auch Starý rybník). Sehr wahrscheinlich richteten die Tiefflieger ihr Augenmerk deshalb auf diese Gegend, weil hier die Bahnlinie in Richtung Tachau verläuft. Da die Wachmannschaft Pferde mit sich führte, wurde die Kolonne für eine der Wehrmacht gehalten. Der Bordwaffenbeschuss tötete neben einigen Pferden vermutlich sechs Häftlinge, offenbar Russen und Polen sowie eine Jüdin. Die Toten wurden zunächst vor Ort begraben und später von den tschechischen Behörden in den Friedhof Ronsperg (Poběžovice) übergeführt.

 

Weißensulz (Bělá nad Radbuzou) hatte durch die Tiefflieger zwei Todesopfer zu beklagen. Die 52-jährige Marie Lang wurde am 25. April offenbar im Stadtgebiet selbst, in ihrer Wohnung, tödlich verwundet. Bei Plan (Plána) tötete der Tieffliegerbeschuss am 17. April (dem selben Tag, an dem die Angriffe auf Blisowa und Furth im Wald mindestens acht Tote forderten), die erst 16-jährige Agnes Pöhnl, als sie von der Lehrerbildungsanstalt in Mies (Stříbro) mit dem Zug nach Hause fahren wollte.

 

Ebenfalls am 17. April, am Vormittag, griffen vier Flugzeuge den Personenzug von Bodenwöhr nach Neunburg vorm Wald an, und zwar auf Höhe Erzhäuser. Dabei wurden zwei Mädchen getötet, eines aus Nürnberg, das zu Besuch zu Verwandten fahren wollte, und die 19-jährige Rotkreuzschwester Anneliese Schefter aus Lehrte. Ein Bericht über das schreckliche Geschehen dieses Angriffs war in einem Zeitungsartikel zu lesen (Link hier). Möglicherweise also war dies der erste Angriff der patrouillierenden Tiefflieger an diesem Tag, denn am Mittag wurde Blisowa, am frühen Nachmittag Furth angegriffen!

  

Am 21. April griffen Jagdbomber den heute kaum noch bekannten Flugplatz Berndorf bei Rötz/Premeischl an, auf dem noch einige Flugzeuge der Luftwaffe standen. Dabei geriet eine junge Dienstmagd, die zufällig mit dem Fahrrad auf dem Weg war, in den Beschuss und wurde tödlich verwundet. Ein Anwohner fand die Leiche am Waldrand.

 

Schließlich sei noch auf den verheerenden Angriff auf einen Zug hingewiesen, der aus den Ostgebieten nach Schwandorf kam und die Flüchtlinge, vor allem „Volksdeutsche“ aus Ungarn, offenbar nach Cham transportieren sollte. Gegen 14.00 Uhr beschossen vier Tiefflieger zunächst mit ihren Bordwaffen den bei Altenschwand (kurz vor Bodenwöhr) befindlichen Zug und feuerten dann bei einem zweiten Anflug in die flüchtenden Menschen hinein. Insgesamt 28 Menschen starben. Vier verkohlte Leichen wurden in Neuenschwand beigesetzt, in Cham 18, nachdem der beschädigte Zug seine Fahrt wieder aufgenommen hatte. An die 70 Personen wurden verletzt, von denen einige offenbar im Krankenhaus Schwandorf verstarben.

 

7. Zwei bislang noch unbekannte Angriffe bei Alt-Brunst (Starý Brunst) und Neu-Brunst (Nový Brunst)

 

Auch im südlichen Böhmerwald (Šumava) gab es im April 1945 Tieffliegerattacken, die bislang offenbar unbekannt waren. Zwei Angriffe am 21. April 1945 können durch Einträge in den Sterbebüchern der damaligen Pfarrei Markt Eisenstein (Železná Ruda) bewiesen werden.  An diesem Tag traf es bei Neu-Brunst (Nový Brunst, ein nach 1945 zerstörtes Dorf, das etwa drei Kilometer südwestlich von Alt-Brunst/Starý Brunst) in Richtung Böhmisch-Eisenstein lag) eine wohl auf dem Durchmarsch befindliche Luftschutz-Einheit. Zwei Soldaten starben; ihre Namen sind im Sterbebuch der Pfarrei Markt Eisenstein unter Nr. 20 und 21 eingetragen:

- Mania, Bernhard: Obergefreiter, *30.01.1904 in Preußisch Stargard, +21.04.1945, Zertrümmerung des Schädels

- Ehlert, Paul: Obergefreiter, *13.03.1906 in Heinrichsdorf, Zertrümmerung der linken Lendengegend mit Eröffnung der Bauchhöhle

Beide waren sofort tot. Mania und Ehlert gehörten zur „Luftschutz-Abteilung 16 (mot.)“, Feldpostnummer L06533B. Den Tod bescheinigte der Truppenarzt der dieser Abteilung zugeordneten Sanitätsgruppe „Lw.San.Gr.-LSAbt.(mot)16“. Solche Luftschutz-Abteilungen waren aus dem sog. Sicherheits- und Hilfsdienst (SHD) entstanden – keine Kampfeinheiten, sondern eine Art Feuerwehr. Da die Luftschutzabteilung 16 im Jahre 1945 im Raum östlich von Berlin eingesetzt gewesen sein soll, stellt sich die Frage, wie offenbar eine ihrer Teileinheiten – eine einigermaßen noch in sich geschlossene Kompanie, die einen eigenen Truppenarzt dabei hatte! – in den südlichen Böhmerwald kam.

 

Ein zweiter Tieffliegerangriff erfolgte am selben Tag (21. April) bei Alt-Brunst - vermutlich gleichzeitig - und forderte ebenfalls zwei Todesopfer, die ebenfalls einer Luftschutz-Einheit angehörten. Eintrag im Sterbebuch der Pfarrei Markt Eisenstein unter Nr. 23: 

- Knittel, Fridolin: Obergefreiter, *03.03.1894 in Grosswangen (Kreis Rottweil), im Zivilberuf Gärtner, Einheit: 2. Kompanie der Luftschutz-Abteilung 50 (mot.), „gefallen, Herzschlag

- Haubold, Hugo Walter: Obergefreiter, *24.05.1900 in Bautzen, verwundet am 21.04. und verstorben am 22.04. im Lazarett Markt Eisenstein

Die 2. Kompanie der Luftschutzabteilung 50 (im Februar 1945 in Schweidnitz/Polen stationiert), zu der der bereits 51-jährige Obergefreite Knittel gehörte, war im Jahre 1945 in Berlin-Spandau der Luftschutz-Abteilung 13 unterstellt.

Mania und Ehlert wurden am 23.04., Knittel und Haubold am 25.04. im Friedhof von Markt Eisenstein bestattet. Ihre sterblichen Überreste konnten nach 1990 nicht geborgen werden, von den Gräbern gibt es keine Spur mehr.

 

Diese Tieffliegerangriffe bei Alt- und Neu-Brunst am 21. April müssen "grenzüberschreitend" im Kontext der vielen weiteren Attacken gesehen werden: Wie erwähnt, wurde am selben Tag der Flugplatz Berndorf bei Rötz/Waldmünchen angegriffen, und tags zuvor (am 20. April) starben bei Angriffen auf Züge und Gleisanlagen in Miltach, Blaibach und Selling insgesamt 20 Menschen, darunter 16 Soldaten.