Flugzeugabstürze im Raum Domazlice (Taus) in den Jahren 1940, 1941, 1943

© Dr. Markus Gruber

1. Der Absturz eines Schulflugzeugs Siebel Si 204 bei Wonischen (Ohnišťovice) im Jahre 1943 und einer Junkers Ju-88 (?) bei Nepomuk (Capartice) 1941

 

Unter den Flugzeugabstürzen im früheren Kreis Bischofteinitz (Horšovsky Týn) während der Krisen- und Kriegszeit 1938-1945 scheinen zwei besonders mysteriös zu sein, da sie aufgrund unklarer Angaben miteinander verwechselt werden können. Ohne auf die verwickelten Zusammenhänge hier näher eingehen zu wollen, sei auf diesen Artikel im Domažlický Deník verwiesen: Link hier

Zum einen stürzte ganz offensichtlich am 13. Oktober 1941 bei Nepomuk (Capartice) gegen 15.30 Uhr ein Flugzeug ab, das die Technik-Experten aufgrund der Trümmerteile, die in großer Zahl am Buchenberg (Bučina) gefunden wurden, als Ju-88 identifizieren (Link zu Wikipedia, wen der Flugzeugtyp interessiert).

Bei diesem Absturz kamen mindestens zwei Wehrmachtangehörige ums Leben:

von der Ohe, Ernst: Feldwebel, *29.09.1916 in Schiol bei Kiel, 1. Staffel (F) Ergänzungs-Aufklärungsgruppe Ob.d.H., bestattet im Friedhof Duisburg

Hirschfeld, Gerhard: Unteroffizier (und Bordmechaniker), *31.12.1919 in Schellsitz/Weißenfels (Sachsen-Anhalt), 1. Technische Kompanie der Aufklärungs-Fliegerschule (F) 3 Perleberg, bestattet im Gemeindefriedhof Schellsitz

Trotz intensiver weiterer Nachforschungen ließen sich keine weiteren Toten feststellen. Möglicherweise waren also nur zwei Besatzungsmitglieder an Bord. Das (F) steht für Fernaufklärer (Aufklärungsflugzeuge).

 

Zwei Jahre später, am 3. September 1943, verunglückte gemäß einem Dokument der Wehrmachtverwaltung eine Maschine der Flugzeugführerschule B 8 Wiener Neustadt. Als Verlustort der Siebel Si-204 wird „bei Bischofteinitz“, alternativ „bei Ronsperg“ genannt. Alle sieben Besatzungsmitglieder wurden getötet. In diesem Fall war bislang unbekannt, wo genau der Absturz stattfand.

Für die zumindest teilweise Klärung dieses zweiten Unglücks hilft die heimatgeschichtliche Fachliteratur: In dem Standardwerk „Unser Heimatkreis Bischofteinitz“, 1967 herausgegeben vom gleichnamigen Verein mit Sitz Furth im Wald, findet sich in der Ortsbeschreibung des Dorfes Wonischen (Ohnišťovice) bei Ronsperg folgende Bemerkung des Berichtschreibers Josef Mahal (S.288):

„Am 3. September 1943 war in der Flur „Unteres Uterl“ ein zweimotoriges deutsches Schulungsflugzeug in der Luft explodiert, wobei die neunköpfige Besatzung den Tod gefunden hatte.“ Auch wenn hier von neun Toten die Rede ist, kann aufgrund der exakten Datumsangabe kein Zweifel daran bestehen, dass es sich hier um die in Frage stehende Siebel Si-204, in der Tat ein Schulflugzeug (Link zu Wikipedia), handelt.  Wonischen liegt etwa drei Kilometer südöstlich von Ronsperg (Poběžovice), auf halbem Weg zwischen der damaligen Bezirksstadt und Metzling (Meclov), am Schwarzbach (Černý potok), kurz bevor dieser in die Pivoňka mündet. Die Flur „Unteres Uterl“ befindet sich wohl östlich des Dorfes in Nähe dieses Zusammenflusses.

Durch anschließende Recherche sind aktuell (Update Juni 2020!) über die nähere Identität der sieben Absturzopfer zusätzliche Aussagen möglich. Da die Toten offenbar alle in ihre Heimatorte übergeführt wurden (der Abtransport soll bei brütender Hitze über den Bahnhof Ronsperg erfolgt sein) und bis auf eine Ausnahme in privat gepflegten Familiengräbern ruhen, sind sie beim Volksbund Kriegsgräberfürsorge nicht in der „Gräbersuche online“ erfasst, welche nur die ‚offiziellen’ Kriegsgräberstätten beinhaltet.

Die Namen und Daten der am 3. September 1943 tödlich Verunglückten:

- Feldwebel und Hilfsfluglehrer Günther Leidel: *04.01.1918 in Drebkau (Brandenburg), bestattet im Friedhof Nordhausen (Thüringen)

- Feldwebel und Navigations-Hilfslehrer Hans Rüder: *30.09.1910, bestattet im Evangel. Friedhof Sülfeld-Bad Oldeslohe; erwähnt auch auf dem Denkmal der Stadt Bargfeld-Stegen (Schleswig-Holstein)

- Feldwebel Helmut Tapper: *10.08.1915 in Nürnberg, bestattet im Evangelischen Friedhof Norden (Kriegsgräberstätte)

- Fähnrich und Flugschüler Ottokar Diegmüller: *15.08.1924 in Hünfeld (2./Fliegerausbildungs-Regiment 53), bestattet im Friedhof Hünfeld (Hessen)

- Fähnrich und Flugschüler Karlheinz Jaenichen (4./Flieger-Rgt. 22): *16.5.1924 in Saarbrücken

bestattet im Friedhof Saarbrücken-Burbach (Block 46, Grab 363)

- Fähnrich und Flugschüler Hubert Kasper (10./Ausbildungs-Rgt.. 21): *23.7.1923 in Jauer (Niederschlesien, Kreis Liegnitz/Legnica), bestattet in Glatz (Niederschlesien)

- Gefreiter und Flugschüler Willy Korbus: *25.10.1922 in Köln, bestattet im Friedhof Bensheim (Hessen)

Ein historischer Zusatz: Wonischen (Ohnišťovice) - auch kleine Orte wurden von den Kriegsereignissen betroffen

 

Das ursprünglich sudetendeutsch besiedelte Wonischen wurde 1186 erstmals erwähnt und bekam seinen deutschen Namen aus dem Tschechischen, der soviel wie „Brandstätte“ (ohniště) bedeutet. Der Ort war berühmt für seine reichen Vorkommen von Feldspat und Quarz, wovon jährlich bis zu 1.000 Waggons gefördert wurden (siehe Foto). Die Verarbeitung erfolgte unter anderem im nahen Mahlwerk von Metzling (Meclov). Die Fachkenntnis beim Ausheben der Fördergruben war dann in der Kriegszeit von Nutzen, als ein 52 Meter langer Luftschutzbunker gebaut wurde, der die gesamte Bevölkerung von Wonischen (1930: 238 Menschen in 42 Häusern) hätte aufnehmen können. Im Jahre 2011 hatte Ohnišťovice 44 Bewohner.

Bei Kriegsende 1945 kamen bei Wonischen zwei deutsche Staatsangehörige ums Leben. Dieser Fall lässt sich im Staatlichen Kreisarchiv Domažlice (SOkA) nachweisen (Bestand ONV Horšovsky Týn i.č. 383 IX/10). Demnach wurden am 2. Februar 1948 im Wald „Mastná hora“, südwestlich von Wonischen auf halbem Weg nach Wilkenau (Vlkanov) nahe der Bahnlinie, die Überreste zweier Personen exhumiert. Gemäß dem Bericht des SNB Poběžovice an die Gemeinde Meclov war der eine ein unbekannter Zivilist, bei dem keine Hinweise auf einen gewaltsamen Tod gefunden worden seien. Bei dem anderen Toten soll es sich, so der SNB-Bericht, um einen Wehrmachtangehörigen namens Franz Weisenberger gehandelt haben, an dessen Schädel hinten ein Einschuss festgestellt wurde. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei Franz Weisenberger um den 23-jährigen Gärtner aus  Ronsperg, der seit Mai 1945 als vermisst gilt. Die Überreste der beiden Toten wurden in den Friedhof Metzling (Meclov) übergeführt und dort beigesetzt.

Anzufügen ist, dass im Friedhof Metzling noch zwei weitere im Mai 1945 ums Leben gekommene deutsche Soldaten bestattet wurden: Am 4. Mai fiel am westlichen Ortsrand von Wottawa (Otov) der 20-jährige Obergefreite Horst Hammerstein (*22.11.1924 in Kassel) durch MG-Schüsse in Rumpf und Oberkörper, offensichtlich im Gefecht gegen das amerikanische 38th Infantry Regiment, 2nd Infantry Division; er gehörte zu derjenigen deutschen Luftwaffeneinheit, die mit tschechischen Partisanen aus Postřekov (Possigkau) zusammenstieß, wobei sechs junge Tschechen ebenfalls am 4. Mai offenbar zwischen den Fronten den Tod fanden (dieser tragische Vorfall sollte unvoreingenommen untersucht und beurteilt werden, siehe das Buch „Endkampf im Böhmerwald“ des Autors, S.237f.). Der zweite Tote war ein unbekannter Wehrmachtangehöriger, der in Zivilkleidung offenbar in Richtung Westen unterwegs war und am 10. Mai bei Wottawa (Otov) gewaltsam ums Leben kam; an eben diesem Tag wurden auch vier Bewohner von Wottawa getötet, offenbar durch Partisanen.

Kurze Ortsbeschreibung von Wonischen mit aktuellen Fotos auf Wikipedia hier.

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2. Zwei Flugzeugabstürze 1940 bei Tschernahora (Černá Hora) und Mirschikau (Mířkov), Kreis Bischofteinitz (Horšovský Týn)

 

Während des Zweiten Weltkriegs und schon zuvor, seit der Annexion des Sudetenlandes durch das Dritte Reich sowie der nachfolgenden sogenannten Zerschlagung der (restlichen) Tschechoslowakei, kam es auch im Raum Bischofteinitz und Taus zu einer Reihe von Flugzeugabstürzen, die bedingt waren durch Unfälle, aber auch durch Kampfhandlungen. Es handelte sich fast ausschließlich um Flugzeuge der deutschen Luftwaffe sowie der westlichen Alliierten, v.a. der US-Luftwaffe (USAAF), die ab 1943 einen großen Aktionsradius bis in die Gegend Pilsen und Prag hinein hatte.

Viele dieser Abstürze sind auf mehreren Internetseiten akribisch erfasst: leteckabadatelna.czvrtulnik.cz (direkter Link zum Raum Pilsen), hloubkari.wordpress.com

In den Sterbematrikeln zweier Gemeinden sowie einer Ortschronik konnte ich Hinweise auf zwei weitere Flugzeugabstürze finden, die auf den genannten Seiten bislang noch nicht erfasst sind:

1) Bei dem Dorf Tschernahora (Černá Hora), nordöstlich von Weißensulz (Bělá nad Radbuzou), stürzte am 24. Juni 1940 um 17.30 Uhr ein Flugzeug nicht näher bekannten Typs am Waldrand ab. Dabei starb der 25-jährige Flieger-Unteroffizier Wilhelm Bowe, der am 3. Januar 1915 in Kochem bei Koblenz geboren worden war und römisch-katholischen Bekenntnisses war. Der Sterbebucheintrag erfolgte auf mündliche Anzeige von Siegfried Kaudel, Arzt in Weißensulz. Als Todesursache wird angegeben: „Schädelbasisbruch durch Aufschlag bei Flugzeugabsturz.“

Wilhelm Bowe wurde auf der Kriegsgräberstätte Marienbad (Mariánské Lázně) in Block A, Reihe 7, Grab 19 beigesetzt.

Link zum Sterbebucheintrag auf portafontium

Ortsbeschreibung von Tschernahora auf Wikipedia

Der deutsche Ortsname "Tschernahora" stellt lediglich eine Umschrift des tschechischen "Černá Hora" dar, was einmal mehr die wechselhafte Besiedlung derselben Gegend durch  Slawen und Germanen verdeutlicht. Benannt scheint der Ort nach dem 662 Meter hohen Berg südlich des Ortes, der dem Flugzeugführer vermutlich zum Schicksal wurde.

 

 2) Ein zweiter Flugzeugabsturz ereignete sich im selben Jahr am 5. Dezember 1940 bei Mirschikau (Mířkov), ein Dorf, das neun Kilometer nordwestlich von Bischofteinitz an der Straße nach Tachau liegt. An diesem Tag um 10.30 Uhr stürzte ein Flugzeug der Luftwaffe, das vom Fliegerhorst Pilsen in Richtung des „Altreichs“ unterwegs war, im Bereich der Sieben Berge (Sedmihoří) während eines Schneesturms ab und stürzte auf den mittleren Weiherberg. Holzhauer bekamen den Absturz mit, konnten den vier Besatzungsmitgliedern aber nicht mehr helfen: Alle waren sofort tot. An der Absturzstelle wurde zunächst ein Birkenkreuz, später ein Granitstein aufgestellt. Dieser, so berichtet die Chronik von Mirschikau weiter, wurde nach Kriegsende von den Tschechen beseitigt.

Die Namen der vier Toten, die der Schülerkompanie des Fliegerausbildungsregiments 13 Pilsen angehörten, finden sich in der Matrikel des Standesamtes Mirschikau:

- Flugschüler Gefreiter Johann Mertel, *24.12.1919 in Nürnberg

- Flugschüler Gefreiter Herbert Hose, *25.12.1920 in Neuses, Bezirk Coburg

- Fluglehrer Oberfeldwebel Gottfried Haberlander, *1.10.1905 in München

- Bordfunker Feldwebel Ernst Harbach, *3.12.1912 in Königsberg/Ostpreußen

 

Die Toten wurden in der Kriegsgräberstätte Pilsen bestattet, die vom Volksbund Kriegsgräberfürsorge im Jahre 1997 instandgesetzt wurde.

 

Auszug aus der Chronik von Mirschikau (A. Hupfauer). Durch einen Klick auf das Bild wird die Seite separat geöffnet und lässt sich durch einen weiteren Klick auf das Lupensymbol vergrößern.