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© Dr. Markus Gruber

 

Tod in der Dr.-Lechner-Hütte bei Biberbach

 

Der Obergefreite Kurt Ernst Hermann Bruno Köster (*22.02.1924 in Hamburg, im Zivilberuf Lackierer) ist am 29.04.1945 tatsächlich in der damaligen Gemeinde Biberbach gefallen, wie nun eine Auskunft des Volksbundes ergab: In der betreffenden Notiz des Bundesarchivs wird der Todesort näher angegeben mit „in einer Jagdhütte der Gemeinde Biberbach“. Gemeint ist sehr wahrscheinlich die sogenannte Dr.-Lechner-Hütte im Hochholz zwischen Biberbach und Treffelstein, welche nach Zeitzeugenberichten bei Kriegsende in Brand geschossen wurden. Diese Hütte gehörte dem Arzt und Waldmünchner Krankenhaus-Chef Dr. Matthias Lechner (1889-1970, Biographie hier: Link zur Webpräsenz der Gemeinde Treffelstein). Für den Soldaten Köster (Namensvariante „Köstner“), der mit nur 21 Jahren den Tod fand, macht die Sterbeurkunde des zuständigen Standesamts Hamburg (Nr. 657 von 1947) nur ungefähre Angaben: „Ende April“ und "im Landkreis Waldmünchen". Die „Verlustliste Nr. 2“, die der Landesverband Niedersachsen Nord (Hannover-Kleefeld) des Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge kurz nach Kriegsende drucken ließ, gibt indes den 29.04. an und als Todesort "bei Biberbach".

 

Aber wie kam es zu diesem Todesfall noch am 29. April in einem Gebiet, das seit vier Tagen ‚amerikanisch’ war? Die Front war da bereits einige Kilometer nach Osten vorgerückt. Biberbach wurde am 25. April, Waldmünchen am 26. April besetzt. Der entscheidende Hinweis findet sich in der „History“ des 344th Field Artillery Battalion, eine zur 90th US Infantry Division gehörende Artillerieeinheit, die seit dem 26. April in Treffelstein lag: „…on the 29th B Battery and one gun from the ack-ack fired on a house directly in front of them, where a bunch of SS had been reported in hiding“. (zugänglich hier: Link zur Webpräsenz der 90th Division Association, unter "WW2 Unit Histories"). Das heißt: „Am 29. (April) feuerten Batterie B und ein Geschütz der ‚ack-ack’ auf ein Gebäude, das unmittelbar vor ihnen lag, wo sich einer Meldung nach eine Gruppe SS-Männer versteckt hatten.“ Das Wort „ack-ack“ ist eine lautmalerische Abkürzung für „Anti-Aircraft“, also spezielle Flugabwehrgeschütze, die zusätzlich dem Artillerie-Bataillon unterstellt waren, in diesem Fall wohl Company B des 537th Anti Aircraft Battalion, das ebenfalls in Teffelstein lag und an diesem Tag drei Gefangene machte.

 

Und um 10.15 Uhr meldete eine Patrouille folgendes: „Auf dem Berg 545015 steht ein Gebäude mit einer Gruppe von 6 SS-Männern. Wir werden Artillerie-Beschuss darauf legen.“  (Unit Journal des 358th Infantry Regiments, NARA 390-INF(358)-0.7) Diese Koordinaten markieren genau den Waldberg, der auf halber Strecke zwischen Biberbach und Treffelstein liegt. In der Dr.-Lechner-Hütte, die dort im sogenannten Hochholz stand, hielten sich offenbar seit Tagen einige versprengte deutsche Soldaten auf – allerdings keine SS-Männer, sondern ‚normale’ Wehrmacht. Die Einheit des Obergefreiten Köster war, laut Verlustliste, die „Panzer-Versuchs-und-Ersatzabteilung 300 (Fkl.)“, die in Eisenach (Thüringen) stationiert war. Diese stellte den personellen Ersatz für Funklenkeinheiten der Panzerwaffe und war zugleich eine Ausbildungsabteilung für den ferngesteuerten Kleinstpanzer „Goliath“. Exakt diese Einheit wird nun auch in den IPW-Reports des 359th Infantry Regiments genannte, den Gefangenenverhören (NARA 390-INF(359)-0.8). Bereits am 25. April wurden bei Biberbach 10 Mann der Panzer-Versuchs-und-Ersatzabteilung 300 gefangen genommen, am 26. April bei Spielberg nochmals 10. Ein Verhör vom 26. April ergab interessante Informationen: 100 Mann dieser Abteilung hatten einige Zeit vorher Eisenach verlassen. Auf ihrem Rückzug nach Süden wurden sie von einem Stadtkommandanten zum nächsten weitergeschickt. Die Abteilung wurde zunehmends kleiner, da ihr Kommandeur so etwas wie eine offizielle Desertion in Gang setzte: In Richtung Berlin durften 12 Mann aufbrechen, um "Ersatzteile zu beschaffen", und bei Regensburg durften 15 Mann "Lebensmittel besorgen". Die restlichen 60 Mann kamen in den Raum Waldmünchen, ohne jemals mit irgendwelchen übergeordneten Stellen wie einem Hauptquartier in Kontakt zu kommen. Nun aber wollte der Stadtkommandant von Waldmünchen (es müsste sich um Siegfried Stöhr gehandelt haben), dass diese Resttruppe die Stadt verteidige. Dies aber lehnte der Kommandant aus Mangel an Waffen ab und weil Waldmünchen strategisch nicht bedeutend sei. Offenbar kam kein Widerspruch von Seiten der Stadtverteidiger. Damit, so scheint es, war die Abteilung aufgelöst. Teilweise ergaben sich die Soldaten, teilweise flüchteten sie weiter. Einige der Soldaten – sicher keine erfahrenen Frontsoldaten,  sondern wohl Techniker und Ausbilder – hielten sich aber nunmehr mitten unter den Amerikanern auf und versteckten sich im Biberbacher Hochholz, in der Jagdhütte des Dr. Lechner, der dort die Jagd gepachtet hatte. Auf Seiten der Amerikaner war in diesen Tagen die Nervosität groß, da es ständig Gerüchte über den „Werwolf“ gab, eine Art Partisaneneinheit der Nazis. Auch kamen immer wieder versprengte deutsche Soldaten, vielleicht auch SS-Männer, durch die Gegend, teils auch in Zivilkleidung. Am selben Tag, um 15.45 Uhr, meldete die 358th Infantry: „Die beiden SS-Leute, die angeblich bei Tiefenbach waren, waren nur zwei Wehrmacht-Soldaten und ein Leutnant, die sich in die Wälder verzogen.“ Bereits um 13.50 Uhr waren drei Wehrmachtsoldaten in Zivilkleidung aufgegriffen worden. Der Hinweis auf die immer noch als Feinde anzusehenden deutschen Soldaten in der Dr.-Lechner-Hütte soll von einem befreiten russischen Zwangsarbeiter gekommen sein. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Amerikaner nichts riskieren wollten und das ausgemachte Ziel aus etwa einem Kilometer Entfernung per Luftbeobachter beschossen – und trafen: Ganz offensichtlich wurde der Obergefreite Köster bei dem Beschuss schwer verwundet. Seitens der Bevölkerung ist überliefert, dass im Wirtshaus von Biberbach ein verwundeter Soldat notoperiert wurde. Allerdings war bereits am 25. April bei Witzelsmühle der deutsche Soldat Edmund Fedder erschossen worden.

Die entscheidende Frage, die bleibt: Wo wurde Bruno Köster bestattet? Die Gräberliste der Gemeinden Biberbach, Tiefenbach und Treffelstein geben keine Hinweise. Es wäre sehr unwahrscheinlich, wenn bei der systematischen, von  der Landes- und Bezirksregierung angeordneten Nachforschung nach Kriegsgräbern Anfang der 1950er Jahre ein Soldatengrab (sei es im Wald oder in einem Friedhof) ‚übersehen’ worden wäre.

Eine Vermutung sei gestattet: Als 1956 aus dem Friedhof Waldmünchen die im April 1945 im näheren Umfeld der Stadt gefallenen Soldaten exhumiert wurden, strich die Stadtverwaltung zwei bislang in der Gräberliste geführte unbekannte Soldaten und vermerkte für das betreffende (Doppel-)Grab Nr. 8 in Sektion 13, Reihe 20, dass dieses „irrtümlich“ als Kriegsgrab geführt worden sei. Für die beiden Unbekannten waren allerdings im Jahre 1946 Grabmeldungen erstellt worden, leider ohne jegliche weiterführende Angaben. Nun gibt es noch einen weiteren bei Waldmünchen Gefallenen, bei dem sich nicht klären lässt, wo er bestattet wurde: Am 26. April fiel in Höll direkt am Grenzübergang, auf heute bundesdeutschem Staatsgebiet, der Obergefreite Karl-Hugo Schulze-Frieling. Ein noch lebender Zeitzeuge hat dies unmittelbar mitbekommen. Die Leiche lag einige Tage auf freiem Feld und war dann plötzlich weg. Wurde auch er im Waldmünchner Friedhof bestattet, zusammen mit Köster? Vielleicht war der angebliche Irrtum doch keiner. Ruhen die Obergefreiten Köster und Schulze-Frieling noch immer im Waldmünchner Stadtfriedhof?



Mai 1945: In Tschechien gefallen – in der Kriegsgräberstätte Nürnberg beigesetzt

 

Einige gefallene deutsche Soldaten wurden aus Bayern, Österreich und dem heutigen Tschechien vom Gräberdienst der Amerikaner (Quartermaster Graves Registration Service) unmittelbar vom Ort ihres Todes zum Militärfriedhof Nürnberg gebracht. Die Ermittlungen sind in diesen Fällen natürlich schwieriger als in den Fällen, wo die Toten in den Sterbebüchern der Gemeinden registriert wurden oder die Bewohner etwas mitbekommen hatten. Eine Systematik, warum ein Gefallener von der Graves Registration direkt weggebracht wurde, ist nicht zu erkennen. So konnte es sein, dass der eine Tote nach Nürnberg gebracht wurde und ein anderer, der ein paar Meter entfernt gefallen war, von den Bewohnern bestattet wurde und später vom Volksbund in eine ganz andere Kriegsgräberstätte überführt wurde. Der Militärfriedhof Nürnberg-Nordost lag am Buchenbühler Weg im Bezirk Ziegelstein und diente auch als Begräbnisstätte für gefallene US-Soldaten. Während letztere einige Monate nach Kriegsende wieder exhumiert wurden, kamen die gefallenen Deutschen – darunter auch über 400 Opfer der Kämpfe um Nürnberg selbst – im Jahre 1946 in den Südfriedhof, der heute eine offizielle, vom Volksbund gepflegte Kriegsgräberstätte ist.

Aus der Datenbank des Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge war mir bislang bekannt, dass ein Oberwachtmeister namens Opitz vom Stab der Heeres-Flakartillerie-Abteilung 277 Anfang Mai 1945 „im Raum Taus“ (Domazlice) gefallen ist. Ein scheinbar aussichtsloser Fall, ohne Vorname und Geburtsdatum noch Näheres zu erfahren. Doch nun kann mit hinreichender Sicherheit gesagt werden, dass es sich um Walter Hermann Paul Opitz handelt, geboren am 16.10.1915 in Probotschine, damals Kreis Breslau. Todesort war der Kampfraum Prennet (Spálenec), ca. 2,5 Kilometer östlich von Ceska Kubice und 5 Kilometer nordöstlich von Furth im Wald. Todesdatum war wohl der 2. Mai 1945.

Einem Leichenschauschein zufolge, der im Stadtarchiv Nürnberg archiviert ist (C 31/I Nr. 23) wurde Walter Opitz vom amerikanischen Gräberdienst am 5. Mai 1945 im Militärfriedhof Nürnberg-Nordost bestattet, und zwar in Grab A 11 253. Die Umbettung der sterblichen Überreste in den Südfriedhof (Grab 70 S 44) erfolgte zusammen mit vielen anderen (deutschen) Kriegstoten am 19. Juli 1946. Zuständig war Kriminalsekretär Lanzet im Auftrag des Bestattungsamtes Nürnberg. Auf dem Grabkreuz war die Erkennungsmarke des Toten vermerkt, über die die Abwicklungsstelle der WAst (Wehrmachtauskunftstelle) einige Monate später den Namen entschlüsseln konnte.

Die Erkennungsmarke lautete: „FLA.Btl.Mot 1-608 57 B“, das bedeutet: 1. Kompanie des  motorisierten Flugabwehrbataillons 608. Diese Einheit wurde schon kurz nach ihrer Aufstellung 1940 umformiert, und die 1. Kompanie kam zur Panzerjägerabteilung 61. Dies ist der entscheidende Hinweis, da die Panzerjägerabteilung 61 zur 11. Panzerdivision gehörte. Ende April 1945 wurde diese Abteilung mit Panzerabwehrwaffen (Geschütze und Selbstfahrlafetten, wie dem „Marder III“) schwerpunktmäßig entlang der Front zwischen Waldmünchen und Furth im Wald eingesetzt wurde, vor allem bei Sophienthal (Cerna Reka) und nördlich von Alt-Prennet (Starý Spálenec), um die vorstoßenden Amerikaner (90th Infantry Division) abzuwehren. Die Panzerjägerabteilung 61 hatte traditionell eine enge Verbindung zur Heeres-Flakartillerie-Abteilung 277, ebenfalls eine der Stammeinheiten der 11. Panzerdivision.

Bei der Umbettung der Leichname innerhalb von Nürnberg erfasste Kriminalsekretär Lanzet die sterblichen Überreste genau. Im Falle des mit 29 Jahren gefallenen Walter Opitz beschrieb er die Kopfhaare als dunkelblond und stellte einige schadhafte oder fehlende Zähne fest (ein Zahn mit Goldkrone galt als Wertsache). Interessant ist nun die Beschreibung der Uniformreste: Grüngrauer Rock, um den Kragen silberne Tressen, Schulterklappen mit silbernen Tressen und 2 Sternen, grauer Pullover, grüngraue lange Hose, Marschstiefel. Denn die Schulterklappen lassen tatsächlich auf einen Oberfeldwebel bzw., im Falle der Artillerie, Oberwachtmeister schließen. 

Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich bei dem in Nürnberg ruhenden Opitz um den laut Volksbund im Raum Taus gefallenen Oberwachtmeister der Heeresflak 277 handelt, sind die anderen, in Nürnberg unmittelbar daneben bestatteten Soldaten: Stabsgefreiter Fritz Zimmer, gefallen am 2.5. „zwischen Eschlkam und Neumark bei Furth im Walde“ (Sterbeurkunde StA Berlin-Prenzlauer Berg), und Gerhard Uhlig, gefallen bereits am 27.4. in Seuchau, einem Ortsteil von Furth im Wald. Alle Genannten wurden am 5. Mai in Nürnberg bestattet. Ebenfalls beweiskräftig ist die Truppenzugehörigkeit noch weiterer, im Raum Prennet  Gefallener, die den Zusammenhang zur Panzerjäger-Abteilung 61 und zur Heeresflak-Abt. 277 eindeutig erkennen lassen: Leutnant Ernst Bender und Obergefreiter Ferdinand Tappe. 

Damit lässt sich folgende Auflistung der Gefallenen im Raum Prennet machen: 

1) Bender, Ernst Hermann Bender, Leutnant (*31.5.1913, Schadeck-Runkel, Hessen), Leutnant, gef. 2.5. auf der Höhe 584 nördlich Alt-Prennet (Draxlberg, Weiler Kasparbauer), 3. Kompanie Heeresflakbataillon 277, Grablage unbekannt 

2) Habenicht, Gerhard Kurt Herbert, Gefreiter (*31.7.1927, Celle), gef. 1.5. (sic) zwei Kilometer nördlich Alt-Prennet (wie Lt. Bender), Grablage unbekannt

3) Ferdinand Tappe, OGefr. (*28.7.1921, Gelsenkirchen), gef. 2.5. bei Klein-Prennet, 1. Kompanie Panzerjäger-Abteilung 61, Grablage: im Wald

4) Opitz, Walter, Oberwachtmeister (*16.10.1915 in Probotschine/Breslau), gef. am 1./2.5., Oberwachtmeister, Stab Heeresflakabteilung 277 (bzw. Flugabwehrbataillon (mot) 608, 1. Kompanie), Leichnam von den Amerikanern zum Militärfriedhof Nürnberg weggebracht, dort am 5.5. bestattet

5) Zimmer, Fritz Walter Adolf (*25.07.1913 in Berlin), Stabsgefreiter, gef. 2.5. „zwischen Eschlkam und Neumark bei Furth im Wald“, Granatsplitterverletzung in der Herzgegend, ebenfalls von den Amerikanern am 5.5. im Militärfriedhof Nürnberg bestattet 

6) Becker, Dieter – nähere Daten unbekannt, den Uniformresten nach zu schließen vermutlich Oberfeldwebel/Oberwachtmeister, ebenfalls bestattet am 5.5. im Militärfriedhof Nürnberg

7) Zeliminger, Georg – nähere Daten unbekannt, vermutlich ein noch sehr junger Soldat, eventuell Reichsarbeitsdienst (trug eine sog. Manchesterhose), ebenfalls bestattet am 5.5. im Militärfriedhof Nürnberg

 

Es wurden noch mindestens drei weitere Wehrmachtangehörige, die im Kampfraum rund um den Cerchov gefallen waren, vom Gräberdienst der Amerikaner in Nürnberg bestattet; siehe hierzu die Hinweise unter „Kriegstote 1945“ (Adolf Ullmann und zwei Unbekannte). Die Amerikaner hatten am 2.5. bei Prennet drei Tote und fünf Verwundete zu verzeichnen. Interessant ist schließlich, dass für drei der genannten Toten (5, 6, 7) die amerikanische Graves Registration als Todesort „Hasselbach“ angab. Damit ist das bei Waldmünchen gelegene Haselbach (Lísková) gemeint, das fast 15 Kilometer entfernt liegt. Wahrscheinlich hatte die Gräberdienst-Einheit dort ihr Hauptquartier. Bewohner erinnern sich, dass auf einer Wiese bei Höll einige Tote lagen – Amerikaner, Deutsche? Im Tode sind alle gleich. 

 


 Albersdorf (Pisarova Vesce) bei Tachov, 1. Mai 1945: Die Identität der vier gefallenen Soldaten ist geklärt

 

Hätte Kaplan Josef Kordick im Sterbebuch von Albersdorf (Písařova Vesce / Pisarova Vesce) die Namen der vier dort am 1. Mai 1945 gefallenen deutschen Soldaten nicht eingetragen, wäre es nahezu unmöglich gewesen, deren Identität zu klären. Mit der kürzlich erfolgten Online-Stellung dieses Sterbebuches auf Portafontium sind nun die Namen aller vier Opfer bekannt und der Öffentlichkeit zugänglich: Link direkt zum Eintrag

Die vier Soldaten fielen am 1. Mai 1945 im Kampf gegen die 97th US Infantry Division. Albersdorf liegt etwa fünf Kilometer westlich von Tachov. Der ‚Heimatatlas des ehemaligen politischen Bezirks Tachau-Pfraumberg’ (1973) gibt an: „Bei den letzen Kämpfen fanden 3 Deutsche den Tod. Sie wurden an der Straße nach Schönbrunn neben dem großen Steinkreuz begraben.“ (S. 21) Weitere Details bietet der Bericht von Dr. Franz Schuster (in: Hamperl, W.-D. (Hg.): Vertreibung und Flucht aus dem Kreis Tachau im Egerland. 1945-1948, Band I, Altenmarkt 1997: „In Albersdorf kam es noch zu einem kurzen Kampf bei der Kapelle und beim Roten Kreuz, wobei drei Deutsche fielen und unten an der Straße nach Schönbrunn begraben wurden. Einer kam durch die Tschechen ums Leben.“ (S.215f.)

 

Der Eintrag von Kaplan Kordick lautet:

 

„Auf der Straße von Schönbrunn nach Albersdorf, unweit von Albersdorf, unter einem Kreuz, rechts von der Straße, liegen Soldaten begraben, die in den letzten Tagen des Krieges den Tod beim Kampf gefunden haben: 

   1. Robert Elgner, Oberfeldwebel, geb. 21. II. 1912, gef. 1. V. 1945

   2. Andreas Häussler, Fähnrich, geb. 3. III. 1920, gef. 1. V. 1945

   3. Paul Fritsch, Feldwebel, gefallen 1. V. 1945 

Auf dem Wege von Albersdorf nach Helldroht liegt begraben: 

   4. Ferdinand Binda aus Klosterneuburg“

 

Beim letzten Namen, „Binda“, bin ich mir beim Lesen nicht sicher.

 

Der unter 1. angeführte Tote, Robert Elgner, kann in der „Online Gräbersuche“ des Volksbunds deutsche Kriegsgräberfürsorge gefunden werden (Link), dort lautet sein Dienstgrad "Hauptwachtmeister". Die Namen der anderen Toten sind verhältnismäßig häufig; weitere Daten (z.B. Geburtsdatum und –ort) fehlen, weshalb vorerst keine näheren Angaben zu machen sind. Auffallend sind die verhältnismäßig 'hohen' Dienstgrade.

Offensichtlich befinden sich nach fast 78 Jahren die sterblichen Überreste von Robert Elgner, Andreas Häussler, Paul Fritsch und Ferdinand Binda immer noch an Ort und Stelle.

Zumindest aber kann gesagt werden: Auch diese Kriegsopfer sind nunmehr der Vergessenheit entrissen. R.I.P.

2. Mai 1953 und 3. Mai 1953: Die Kirchen von Stockau (Pivoň) und Rothenbaum (Červené Dřevo) brennen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen nieder. Ein Zufall?

 

Für die Urbarmachung und Besiedlung der Grenzregion um Ronsperg (Poběžovice) war das Kloster Stockau (Pivoň) von großer Bedeutung. Gegründet schon im 12. Jahrhundert vom Orden der Wilhelmiten, die aus dem nicht minder bedeutenden Kloster Schönthal bei Waldmünchen kamen, wirkten hier bis 1785 Augustiner-Mönche. Später ging das Areal des Klostes in den Besitz der Ronsperger Adelsfamilie Coudenhove-Kalergi über. Die Kirche fungierte auch als Pfarrkirche des Ortes Stockau. Nach der Vertreibung der sudetendeutschen Bevölkerung wurde das Kloster von der Grenzwache der Tschechoslowakei (Pohraniční stráž) genutzt. Am 2. Mai 1953 brannte die Kirche aus, angeblich, weil ein Grenzsoldat eine Zigarette weggeworfen hatte. Ein Unglück also? Vielleicht. Merkwürdig ist nur, dass nur einen Tag später, am 3. Mai 1953, auch die Kirche von Rothenbaum (Červené Dřevo) brannte. Wie auch der ganze Ort Rothenbaum wurden die Überreste dieser Kirche wenige Jahre später abgetragen. Rothenbaum lag etwa 30 Kilometer südöstlich von Stockau, etwa auf halber Strecke zwischen Furth im Wald und Nýrsko (Neuern).

Ist dies nicht ein merkwürdiger Zufall? Zwei benachbarte Kirchen, in der fast nur noch von Grenzwachen 'bevölkerten' Todeszone am Eisernen Vorhang, brennen fast am selben Tag nieder…

Über die näheren Umstände des Brandes der Rothenbaumer Kirche, die 1676 gegründet wurde und der Schmerzhaften Mutter Gottes Maria (Panny Marie Bolestné) geweiht war, konnte ich bislang keine Informationen finden. An ein zweites Unglück oder eine spontane Selbstentzündung mag man nicht recht glauben.

Jedenfalls erfasste die planmäßige Vernichtung von Kirchen in den sudetendeutschen Orten später beispielsweise auch die ehemaligen Pfarreien Waier (Rybník) im Jahre 1964 und Grafenried (Lučina), wo  wohl in den 1970er Jahren, und viele andere Kirchen. In diesen Fällen waren es jedenfalls geplante Aktionen der Kommunisten. 

Über die Geschichte von Rothenbaum und seiner Kirche informiert diese Seite (Link) der Pfarrei Nýrsko. Es ist erfreulich, dass auch von tschechischer Seite in einer „Nacht der Kirchen“ („noc kostelu“) im Juli 2022 das Andenken an Rothenbaum gepflegt wurde (Link hier). Und auch das fast 1000 Jahre alte Kloster Stockau (Pivoň) hat einen Verein, der sich um die Restaurierung der großen Anlage bemüht: Link hier.

Bild: Am 2. Mai 1953 brannte die Klosterkirche von Stockau (Pivon) ab, angeblich durch eine weggeworfene Zigarette. Nur einen Tag später, am 3. Mai, brannte auch die Kirche von Rothenbaum (Červené Dřevo) bei Neuern (Nýrsko).


Eine Postkarte aus Wassersuppen (Nemanice) mit vielen Unterschriften

 

Eine andere "Variante" der Grußkarte, die hier bereits unter der Ortsbeschreibung von Wassersuppen veröffentlicht wurde: Viele bekannte Familiennamen von Bewohnern rund um Wassersuppen und Waldmünchen haben sich hier verewigt: Rybiska, Tragl, Hausladen, Feiner, Bücherl, Lesewa, Braun. Zum Vergrößern einfach auf das Bild klicken.

Ein altes Foto und ein (halb)vergessenes Soldatengrab im Friedhof von Herzogau

 

Die Exekution des Gauleiters der „Bayerischen Ostmark“ Fritz Wächtler am 19. April 1945 in seinem Rückzugsort Herzogau bei Waldmünchen ist der historisch interessierten Allgemeinheit verhältnismäßig gut bekannt. Auch von seinem Grab im Friedhof Herzogau, in welches er fünf Jahre nach seinem Tod aus einem Feldgrab umgebettet wurde, existieren einige Fotos. So auch eine Farbaufnahme, die der Waldmünchner Oberlehrer Hans Brückl um 1955 angefertigt hat. Bei deren genauerer Betrachtung fällt rechts im Hintergrund ein Birkenkreuz auf (das Bild ist vergrößerbar, wenn man darauf klickt - eine Vergrößerung ist unter dem Artikel zu finden). Kann es sich hier um ein Soldatengrab handeln? Traditionell wurden die Gräber gefallener oder verstorbener Soldaten der Wehrmacht mit einem Kreuz aus Birkenholz gekennzeichnet, sei es im freien Feld, sei es auf Friedhöfen (im Umfeld von Waldmünchen sind noch heute, als eine Art Anschauungsobjekt, zwei solcher Gedenkstätten zu sehen). Es ist unwahrscheinlich, dass es sich hier um ein privates Grab einer Herzogauer Familie handelt, zumal wenn man die anderen Kreuze auf dem Foto vergleicht: Ein Birkenkreuz war in der Tradition einem Soldatengrab vorbehalten.

Tatsächlich wurde im Jahre 1957 aus der damals noch selbständigen Gemeinde Herzogau, deren Verwaltung in Voithenberg war, ein Soldat zur Kriegsgräberstätte Hofkirchen umgebettet. Dieser war am 7. Mai 1945 während einer Operation an Blutverlust und Herz- und Kreislaufversagen verstorben. Es handelte sich um Gustav Adam Schepp, geboren am 30.09.1897 in Frankfurt am Main. Schepp war danach wohnhaft in Friedberg (Hessen), heiratete und wurde schließlich zur Wehrmacht einberufen. Im Umbettungsprotokoll vom 30. Januar 1957 (Gemeindearchiv Herzogau) ist als Dienstgrad „Schütze“ verzeichnet. Seine letzte Ruhestätte fand Gustav Schepp in Hofkirchen, Reihe 33, Grab 12. Über die näheren Umstände seiner Verwundung oder Erkrankung, die zum Tod führten, können bislang noch keine näheren Aussagen getrofffen werden. Offenkundig war Gustav Schepp noch ins Lazarett Herzogau gebracht worden, das schon einige Zeit vor Kriegsende im Grenzlandhotel (zugleich die Residenz von Fritz Wächtler) eingerichtet worden war. Die Sterbeurkunde (Standesamt Herzogau/Voithenberg, Nr. 11) wurde von einem Assistenzarzt Dr. Maier unterzeichnet.

Ältere Soldaten, und hierzu muss man den 48-jährige Gustav Schepp zählen, wurden für gewöhnlich zu Sicherungszwecken eingesetzt, aber auch als Begleitkommando für Gefangenentransporte, darunter auch die sogenannten Todesmärsche aus den Konzentrationslagern. Ein solcher Todesmarsch aus dem KZ Flossenbürg endete am 23. April im Raum Rötz, nachdem noch in letzter Minute hunderte Häftlinge erschossen oder erschlagen wurden. Im Friedhof von Bernried wurden 164 KZ-Opfer beerdigt und 1957 nach Flossenbürg überführt. Im selben Friedhof, Bernried, wurde aber auch ein deutscher Soldat bestattet, der hier am 23. April, dem Tag der Befreiung des Todesmarsches durch die amerikanische 11th Armored Division, ums Leben kam: Josef Nakielski, geboren am 30.11.1885 in Lipusz im damaligen Westpreußen. Der fast 60-jährige Nakielski hatte einen der niedrigsten Dienstgrade, „Landesschütze“, und seine Einheit war das „Landesschützen-Ersatz-Bataillon Frankfurt-Bonames“ (Bonames ist ein Frankfurter Stadtteil). Seine sterblichen Überreste wurden im Jahre 1955 ebenfalls nach Hofkirchen umgebettet. 

 

Gehörte nun womöglich auch der 48-jährige Schütze (Landesschütze?) Gustav Schepp aus Frankfurt bzw. Friedberg zu diesem Bataillon? Wurde er bei Kämpfen im Raum Rötz-Waldmünchen verwundet und in das nächstliegende, große Lazarett Herzogau gebracht? Oder war er schon länger Patient in Herzogau? Dies alles sind nur Vermutungen. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass es sich lohnt, bei alten Fotos ganz genau hinzuschauen.


 Am Samstag, 19.9.2020, wurde die "Wiederauferstehung" der Burg Hirschstein (Stary Herstejn) offiziell begangen:


  

Renovierung eines Feldkreuzes am 6.10.2019 bei Friedrichshütten (Nová Hut) bei Wassersuppen (Nemanice). -- Link zum Zeitungsartikel hier.


Die "Aorta-Quelle" in Nimvorgut (Nuzarov): Der kuriose, aber symbolträchtige Name einer Quelle

 

Anlässlich des Hinweises einer Forumsteilnehmerin auf der bekannten Seite www.zanikleobce.cz zu einer Quelle im früheren Dorfbereich von Nimvorgut (Nuzarov) sei hier eine kurze Kommentierung und Überlegung vorgebracht. Eine Kurzversion findet sich auf zanikleobce: Link.

Im zerstörten Böhmerwalddörflein Nimvorgut (Nuzarov), einst idyllisch gelegen zwischen den Bergen Hirschstein (Starý Herštejn) und Schauerberg (Škarmanka), gibt es mehrere Quellen mit klarstem Wasser von den Bergen des Haltrava-Gebirges, das sich so eindrucksvoll über dem Talkessel von Wassersuppen (Nemanice) erhebt. Irgendjemand hat für eine dieser Quellen den kuriosen Namen "Aorta-Quelle", tschechisch "Aortův pramen", geprägt, der sich wohl vor allem in Zeiten des Internets schnell verbreitete.

Der Name "Aorta-Quelle" ist jedoch nicht historisch. In der Kurzchronik von Nimvorgut, verfasst von Franz Stich, findet sich nichts dazu, auch nichts auf dem alten Ortsplan. Es ist kaum anzunehmen, dass die Dorfbewohner seinerzeit das Wort überhaupt kannten: "Aorta" bezeichnet im menschlichen Körper die größte Schlagader (das Wort stammt aus dem Altgriechischen). Offenbar wollte der anonyme Namensgeber das Wasser dieser wichtigen Nimvorguter Quelle mit dem Blut vergleichen, das Leben bringt: Wie das Blut dem menschlichen Körper Leben bringt, so das Wasser dem Dorf im Böhmerwald. Ein wirklich sehr schöner, treffender Vergleich, der helfen könnte, der Erinnerung an das in den 1950er Jahren gestorbene Dorf Nimvorgut aufrechtzuerhalten.

Gemäß dem alten Ortsplan handelt es sich vermutlich um den sogenannten Holzerbrunnen, benannt nach dem Haus „Holzer“, das genau auf der anderen Straßenseite lag (letzter Besitzer Magdalena Ascherl). Dieser spendete den Bewohnern, die bitterarm waren und nur in Holzhäusern wohnten, Wasser und Leben.

Doch wer mag die vergessene Quelle neu "getauft" haben?

 

Haselbacher Treffen 2018 bis 2020 (Haselsbach, Liskova)

 

Am 15. August 2018 fand am früheren Standort der Kapelle in Haselbach (Lísková) wieder das Haselbacher Treffen der ehemaligen Bewohner statt (Bild links). Beim nunmehr 26. Treffen konnte Organisatorin Annemarie Babl etwa 30 Besucher begrüßen, darunter auch eine Gruppe tschechischer Freunde. Pfarrer Bumes, der seit 1992 ununterbrochen die Andacht abhält, ging in seiner Besinnung auf die Bedeutung von "Heimat" ein und stellte dabei die Rolle der Sprache, des Dialektes, heraus. Dies sorgte bei so manchem Besucher für Tränen in den Augen. Nachdem das Böhmerwaldlied die Andacht beschlossen hatte, setzten sich die Gäste noch zum Gedankenaustausch zusammen.

 

Auch im Jahre 2019 wurde die Tradition fortgesetzt, auch wenn sich der Kreis der Teilnehmer wieder etwas gelichtet hatte. Pfarrer Bumes ging auf die Bedeutung von Europa ein und führte den Heiligen Nepomuk, den Heiligen der Brücken, sowie die 1942 in Auschwitz ermordete Heilige Edith Stein als Zeugen christlicher Werte in Europa an. Ein besonderes Gedenken galt Herrn Rektor a.D.Johann Wallinger, der am 27.6.2018 im hohen Alter von 98 Jahren in Rötz verstorben war und durch seine jahrzehntelang verfassten Zeitungsberichte über die sudetendeutsche Heimat (seine Frau Maria stammte aus der Roidlmühle bei Wassersuppen/Nemanice) unglaublich viel für die Erinnerung an die alten Zeiten geleistet hat.

 

Wegen der Corona-Pandemie musste das Treffen im Jahre 2020 entfallen. Leider war es deshalb auch nicht möglich, der im März verstorbenen Frau Emmi Schneider, geboren 1932 in Sophienthal/Černá Řeka zu gedenken, die sich zusammen mit ihrem Ehemann lange Zeit um die Kirche in Wassersuppen/Nemanice kümmerte und für die Gottesdienste sowie das eigene "Wassersuppener Treffen" vorbereitete.

 

Immerhin hatte im Sommer der Alptraum einer so plötzlich wieder geschlossenen Grenze ein Ende, so dass man mit dem Auto, mit dem Fahrrad oder ganz einfach zu Fuss wieder die "Grüne Grenze" überqueren konnte, um den Blick auf die andere Seite und von der anderen Seite zu haben.

Entdeckung "am Rande": Grabsteine von Priestern am Straßenrand

 

An der Straße, die von Klenčí pod Čerchovem (Klentsch) nach Postřekov (Possigkau) führt, stehen kurz nach dem Ortsausgang an der Stelle Ná Lávkách, zwischen der Fabrik und dem Hotel, sechs steinerne Sockel: Ganz offensichtlich christliche Grabsteine. Laut den Berichten des Domažlický deník  haben Bewohner von Klentsch diese Steine im Jahre 2014 in einer Gemeinschaftsaktion dort aufgestellt und renoviert, nachdem man sie zuvor teils in der Umgebung verstreut aufgefunden hatte. Doch blieb rätselhaft, was es mit den als "Steinen" und "Kreuzen" bezeichneten Fundstücken auf sich habe.

 

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelt es sich hier natürlich um Grabsteine, und zwar mit ebenfalls sehr hoher Wahrscheinlichkeit solche von Priestergräbern. Darauf weisen die Symbole, von denen jedes unterschiedlich ist: Ein Kelch auf dem vordersten Grabstein (der ein schmiedeisernes Kreuz trägt), eine Monstranz (d.h. deren Sonnensymbol), ein Herz, auf dem hintersten nochmals ein Kelch (der überhaupt des gängigste Symbol ist; vgl. das Grab von Pfarrer Michael Ring auf dem Grafenrieder Friedhof), auf dem rechten ein Kreuz; nur einer scheint ohne Symbol zu sein.

Ein Grabstein, der hinterste (auf dem Foto der dritte von links) trägt sogar Initialen: M.H. (zum Vergrößern klicken Sie bitte in das Bild und benutzen ggf. die dann auftauchende Lupe). Wer könnte sich hinter M.H. verbergen? In Klentsch wirkte von 1790 bis 1793 die Pfarrer Martin Hausner, von 1793 bis 1796 Martin Houška. Sehr wahrscheinlich aber beziehen sich diese Initialen auf Martin Hostreiter, der aus Klentsch stammte und von 1888 bis zu seinem Tod 1910 Pfarrer der Pfarrei Rothenbaum (Červené Dřevo) war und zuvor als Kooperator die Pfarrei Wassersuppen (Nemanice) betreute. Es erscheint recht plausibel, dass sich Hostreiter in seinem Heimatort Klentsch bestatten ließ.

 

Warum die Grabsteine, bevor sie 2014 würdevoll wieder hergerichtet wurden, irgendwann zuvor dort entsorgt worden waren, lässt Raum für Spekulationen. Gewiss kommt am ehesten die kommunistische Zeit in Frage, in der man nicht nur mit allem, was (sudeten-)deutsch war, 'abrechnete', sondern auch die christliche Tradition kappen wollte: Vergebens, denn die Grabsteine haben zumindest überlebt.

 

Links zu den Berichten im Domažlický deník mit vielen Bildern: Hier, hier und hier.

 


November 2017: Das Bernsteinzimmer ist in Arrach angekommen

 

Wieder eine neue These zum legendären Bernsteinzimmer. Diesmal glaubt man es in Arrach bei Bad Kötzting verorten zu können, so ein Bericht in der Mittelbayerischen Zeitung vom 6. November in der Rubrik „Kurioses“: Link zum Artikel in der Mittelbayerischen hier; auch der Bayerische Rundfunk ist auf den Zug in den Bayerischen Wald aufgesprungen: Siehe hier.

Militärhistoriker, die sich mit der Materie auskennen, können das hier errichtete neue Thesengebäude sicher auf Herz und Nieren prüfen.

Meinerseits, da ich mich mit den letzten Kriegstagen in Ostbayern beschäftige, nur soviel zu einem Satz, der sich auf die Kapitulation deutscher Einheiten Anfang Mai 1945 ebendort im Raum Bad Kötzting zu beziehen scheint. In dem MZ-Artikel heißt es: „Die SS-Schergen hatten sich der vorrückenden russischen Armee ergeben, sind mit der 11. Panzerdivision nach Russland in ein Lager in Sibirien verbracht worden.“

 

Hierzu ist festzustellen: Die 11. Panzerdivision („Gespensterdivision“) ergab sich Anfang Mai 1945 im Großraum Bad Kötzting der US Army, genauer gesagt der 90th Infantry Division („Tough Ombres“), nicht aber der Roten Armee. Letztere ist auch gar nicht bis in den Raum Taus / Domažlice oder überhaupt nach Westböhmen vorgerückt. Die Behauptung ist also aus der Luft gegriffen.

Alles Weitere sei den Experten zur Prüfung nahegelegt.


Wassersuppener Treffen 2017

 

Am 3. September 2017 fand wieder das gewohnte zweijährige "Wassersuppener Treffen" statt. Die ehemaligen Bewohner des Pfarrsprengels trafen sich um 9.30 Uhr zu einem Gottesdienst in der alten Heimat, in der Pfarrkirche St. Johannes Nepomuk in Wassersuppen (Nemanice), den wieder Pfarrer Ludwig Bumes zelebrierte. Danach legte Annemarie Babl, stellvertretend für die Organisatoren, am Nagelkreuz der Waldmünchner Kameradschaft "Dö Zünftig'n" zu den Klängen des Böhmerwaldliedes und von "Ich hatt' einen Kameraden" einen Kranz zum Gedenken an die Verstorbenen und Kriegstoten nieder. Beim anschließenden Beisammensein wurden, wie so oft, Erinnerungen an die alte Heimat ausgetauscht. Dabei kam es zu einer denkwürdigen Begebenheit, als sich Verwandte einer Familie nach fünfzig Jahren zufällig wieder trafen! Die insgesamt an die 100 Besucher, die auch von außerhalb Bayerns angereist waren, beweisen die enge Verbundenheit an die alte Böhmerwaldheimat.


Haselbacher Treffen 2017

Das Haselbacher Treffen, das alljährlich am 15. August (Mariä Himmelfahrt, Großer Frauentag) abgehalten wird, erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit: Etwa 50 Menschen, darunter auch einige Tschechen, waren anwesend. Seit nunmehr 25 Jahren wird in Haselbach (Lísková) dort, wo die Kapelle stand, eine Andacht gehalten. Hintergrund ist, dass an eben diesem Tag im Jahre 1932 die Kapelle geweiht wurde, die nur wenige Jahre existieren sollte. Organisatorin ist die noch in Haselbach geborene Annemarie Babl, und der ehemalige Stadtpfarrer von Waldmünchen, Ludwig Bumes, hält Jahr für Jahr die Messe. Pfarrer Bumes war es auch wesentlich zu verdanken, dass die Kirche in Wassersuppen (Nemanice) nach der Grenzöffnung in einen würdigen Zustand gebracht wurde. Sein tschechischer Amtskollege Jan Harant, der von 1966 bis 1993 Pfarrer von Klentsch war, rettete die Wassersuppener Kirche St. Johannes Nepomuk in kommunistischer Zeit vor dem Abriss, weil er hier, im trostlosen Sperrgebiet, regelmäßig Gottesdienste abhielt. - Damals, 1932, erhielt das Einweihungsfest schnell den Spitznamen "Wespenfest", weil wegen der ausgeteilten Süßigkeiten so viele der Wespen auf ihrem Anteil beharrten. Tatsächlich tummelten sich 85 Jahre später Nachfahren der Insekten immer noch vor der Kapelle, wie sie sich auch beim Beisammensein hinterher einfanden.

Historischer Exkurs:

Dieses Foto zeigt einen Gottesdienst am 27. Juli 1969 in der Kirche St. Johannes Nepomuk, Wassersuppen (Nemanice). Am Altar zelebriert Pfarrer Jan Harant aus Klentsch, der dort von 1966 bis 2003 Pfarrer war. Hans Wallinger (1920-2018), dem es zusammen mit seiner aus der Roidlmühle stammenden Frau Maria (1920-2014) gelang, vom Landesinneren ins damalige Sperrgebiet nach Wassersuppen vorzudringen, berichtet: "Ein Priester stand am Altar ..., ein Mann versah den Ministrantendienst, eine Frau im Mittelgang sang aus dem Gebetbuch, vorne links vom Altar einige Kinder in Bade- oder Turnhose, in der linken Abteilung vier Frauen, in der rechten ein alter Mann (wie sich später herausstellte aus der Slowakei stammend) ... ." Die Belebung der Kirche, ermöglicht durch regelmäßig abgehaltene Gottesdienste, sicherte dem Gotteshaus  in kommunistischer Zeit offensichtlich das Überleben.


Frühjahr 2017: Roidlmühle in Wassersuppen (Nemanice) abgerissen

Die Roidlmühle im Jahre 2013, bereits außer Betrieb.
Die Roidlmühle im Jahre 2013, bereits außer Betrieb.

Im Frühsommer 2017 wurde leider auch die Roidlmühle bei Wassersuppen-Nemanice mehr oder weniger abgerissen, einer der markanten Punkte im Ort. Die Roidlmühle war eigentlich ein Sägewerk mit Getreidemühle. Im Jahre 1771 hieß sie Redlmühle, der Ziegelbach Redlbach. Angetrieben wurde die Säge durch drei Wasserräder und eine Dampfmaschine; beschäftigt waren in der Vorkriegszeit etwa 35 Personen. Um 1900 stellte man dort Holzschuhe her. Letzter Besitzer war Franz Stoffl, Pächter von etwa 1903 bis 1918 Franz Werner; danach bewirtschaftete sie wieder die Familie Stoffl. Nach dem Krieg arbeitete das Sägewerk bis in die 1990er Jahre weiter und gab den tschechischen Bewohnern Arbeit. Der Abriss der gewiss verkommenen, aber historischen Gebäude scheint in Zusammenhang zu stehen mit dem Plan der Errichtung eines Hähnchenmastbetriebs, der sich mittlerweile zerschlagen hat. Die nun entstandene Freifläche dient als Lagerplatz für Holz. Immerhin: Der Rohstoff, der für eine Säge unverzichtbar ist und den Wald als solchen verkörpert, ist noch zu sehen.

Das Projekt "vodnimlyny" bietet weiteres Material (Fotos, Landkarten, technische Details) zur Roidlmühle:

http://vodnimlyny.cz/mlyny/objekty/detail/3259-roidlmuhle

Und so sah die Roidlmühle in der Vorkriegszeit aus: Unten Wassersuppen, links das Sägewerk Roidlmühle mit dem Kamin (rechts, fast in der Bildmitte, das heute übriggebliebene Wohnhaus), darüber der langgestreckte Ort Neubäu (Novosedly) und nochmals darüber der Gemeindeort Mauthaus (Mýtnice).

Auf Youtube findet sich eine Videoaufnahme vom Abriss des Kamins der Roidlmühle im Frühjahr 2017.

Titel des Videos: Demolice komína na pile v Nemanicich